Erstellt von Markus Krün
vor mehr als 7 Jahre
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Was tun, wenn das Wohl eines Kindes gefährdet erscheint?
Bestehen aus Sicht einer Erzieherin oder eines Erziehers der
Kindertageseinrichtung gewichtige Anhaltspunkte für die
Gefährdung des Wohls eines Kindes, hat sie bzw. er zusammen
mit mindestens einer weiteren Fachkraft, die in Fällen der
Kindeswohlgefährdung erfahren sein muss, eine Gefährdungseinschätzung
vorzunehmen. Hierbei sollen die Eltern und das
Kind einbezogen werden, sofern damit keine weitere Gefährdung
des Kindes verbunden ist. Erfolgt keine Einbeziehung der
Eltern oder des Kindes, ist den weiteren Fachkräften der Fall
nur anonym oder mit Hilfe eines Pseudonyms zu schildern.
Ergibt die Gefährdungseinschätzung, dass eine Gefährdung besteht
und diese nicht anders (z.B. durch eigene Bemühungen
der Eltern) abgewendet werden kann, hat die Kindertageseinrichtung
bei den Eltern darauf hinzuwirken, dass diese die geeigneten
Hilfen in Anspruch nehmen. Nach Möglichkeit sollen
hierüber verbindliche Absprachen getroffen werden.
Rechtsgrundlagen
Die Datenschutzregeln für sozialpädagogische Fachkräfte
sind nicht einfach zu überblicken, da sie auf verschiedenen
rechtlichen Ebenen beschrieben werden. Zu unterscheiden
sind vor allem die zivil- und die strafrechtliche Ebene.
1. Grundgesetz Art. 1 Absatz 1 (das allgemeinen Persönlichkeitsrecht),
ergänzt durch die Entscheidung des BVG
zur informationellen Selbstbestimmung im Jahr 1983.
2. Strafgesetzbuch „Verletzung von Privatgeheimnissen“
(StGB § 203).
3. Bundesdatenschutzgesetz und Datenschutzgesetze der
Länder.
4. Datenschutzbestimmungen im Sozialgesetzbuch. Für
die Jugendhilfe ist der Datenschutz in § 35 SGB I und in
den §§ 67 - 85a SGB X und außerdem noch §§ 61 - 68
SGB VIII geregelt.
Geschützt sind alle personenbezogenen Angaben, die im Zusammenhang
mit der Berufsausübung erhoben oder verwendet
werden. Solche personenbezogenen Angaben sind alle
Einzelangaben über persönliche und sachliche Verhältnisse
Welche Daten dürfen von wem
erhoben werden?
Nach § 62 SGB VIII dürfen Daten nur erhoben werden, wenn
sie für die pädagogische Aufgabenausübung in der Einrichtung
erforderlich sind. Wird – schriftlich oder mündlich – z.B.
nach Religion, Einkommen, Krankheiten, Geschwistern gefragt,
muss klar sein, inwieweit diese Daten notwendig (also
nicht nur nützlich!) sind. Fragen nach dem Beruf der Eltern in
einer Kita sind daher beispielweise unzulässig (vgl. Kunkel,
2011, 6).
Ist geklärt, welche Daten erforderlich sind, müssen diese Daten
beim Betroffenen selbst erhoben werden. Dies ist das
Kind oder der Jugendliche für seine eigenen Daten, soweit
das Kind oder der Jugendliche selbst einsichtsfähig sind, also
die Bedeutung des Datenschutzes erkennen können. Ein bestimmtes
Alter ist hierfür nicht entscheidend; der BGH hat
auch einem 5-jährigen Kind schon diese Einsicht zugesprochen
(vgl. AaO).
Beispiel I: Das Jugendamt bittet bei einer Tageseinrichtung
um Auskunft, wie die Beziehungen eines Kindes zu seinen Elternteilen
sind, um gegenüber dem Familiengericht eine Stellungnahme
in einem Sorgerechtsverfahren abgeben zu können.
Da „keine der Ausnahmen für diese Dritterhebung nach
§ 62 Abs. 3 und 4 SGB VIII vorliegt, kann das Jugendamt die
Datenerhebung bei der Tageseinrichtung nur mit Einwilligung
der betroffenen Elternteile vornehmen“ (vgl. AaO, 7).
aaO
Juristische Abkürzung
Welche Daten dürfen wann
und an wen übermittelt werden?
Werden Daten an Personen oder Stellen außerhalb der Einrichtung
(z.B. Schule, einzelne LehrerInnen, Jugendamt, aber
auch andere Eltern) weitergegeben, handelt es sich um eine
Datenübermittlung. Diese ist nach SGB X (Sozialdatenschutz,
§§ 67-75) nur zulässig, wenn der Betroffene eingewilligt
hat oder wenn eine gesetzliche Übermittlungsbefugnis
vorliegt (wie bspw. zur Abwendung einer schweren, nach
StGB § 138 meldepflichtigen geplanten Straftat).
Zu Beispiel III: Das Jugendamt will Daten im Jugendclub
ermitteln, wie im vorherigen Beispiel geschildert. Auch wenn
diese Datenerhebung zulässig ist, ist gesondert zu prüfen, ob
auch die Datenübermittlung seitens der Einrichtung zulässig
ist. Die Datenübermittlung ist gem. § 69 Abs. 1 Nr. 1 SGB X
zulässig, weil das Jugendamt dieses Datum benötigt, um eine
Beispiel IV: Die Gruppenleiterin eines Spielhauses will Daten
der 5-jährigen Kinder an den Lehrer der Grundschule
übermitteln, um ihm zu ermöglichen, besser auf die Kinder
eingehen zu können. Diese Datenübermittlung ist nur mit Einwilligung
des Personensorgeberechtigten (also ggf. beider
Elternteile) zulässig. Eine gesetzliche Übermittlungsbefugnis
besteht nicht, da mit der Datenübermittlung keine Aufgabe
Wer darf was wann mit wem besprechen?
Der Begriff der „zu erfüllenden Aufgabe“ ist eng
gefasst und kann nicht beliebig als Begründung
für eine Datenübermittlung herangezogen werden.
nach dem SGB VIII erfüllt wird (weder vom Kindergarten
noch von der Schule).
Ehe-, Familien-, Erziehungs- oder Jugendberater sowie
Berater für Suchtfragen in einer Beratungsstelle, die von
einer Behörde oder Körperschaft, Anstalt oder Stiftung
des öffentlichen Rechts anerkannt ist
staatlich anerkanntem Sozialarbeiter oder staatlich anerkanntem
Sozialpädagogen (…)
anvertraut worden oder sonst bekannt geworden ist, wird
mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.
Das hier genannte „Geheimnis“ unterscheidet sich allerdings
von allgemeinen geschützten Daten wie Name, Anschrift etc.
Gemeint sind in diesem Fall persönliche Informationen, die
im Rahmen der Berufsausübung „anvertraut“ wurden bzw.
die nur durch den beruflichen Kontakt zur Kenntnis der Fachkraft
gelangen konnten und von denen nicht begründet angenommen
werfen darf, dass sie bereits allgemein bekannt sind
oder dass gegen eine Weitergabe seitens der Betroffenen keine
Einwände bestehen. „Die Pflicht zur Verschwiegenheit gilt
gegenüber jedermann, also auch gegenüber Gerichten, ande
Durch die Einführung des § 8a in das KJHG werden Schweigepflicht
und Sozialdatenschutz teilweise eingeschränkt,
nämlich dann, wenn „gewichtige Anhaltspunkte“ für eine Gefährdung
des Kindeswohls vorliegen. § 8a SGB VIII regelt im
Einzelnen das Verfahren, das die öffentlichen und die freien
Träger in einem solchen Fall einzuhalten haben. Vor allem im
Fall von „persönlichen Geheimnissen“, also besonders geschützte
Daten, die z.B. im Vertrauen auf die Schweigepflicht
persönlich („unter vier Augen“) anvertraut worden sind ist die
Beispiel V: Eine Mutter vertraut der Erzieherin an, dass ihr
Kind vom Vater geschlagen wird. Die Erzieherin kann – wenn
ihr der konkrete Schutz des Kindes anders nicht zu gewährleisten
scheint – dem Jugendamt, wenn nötig auch der Polizei,
davon Mitteilung machen, selbst wenn die Mutter ihre
Einwilligung zu dieser Mitteilung nicht gegeben hat. Die Datenweitergabe
ist nach § 65 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB VIII zulässig,
wenn die Gefahr für Leib oder Leben des Kindes nicht anders
abgewendet werden kann (rechtfertigender Notstand
nach § 34 StGB). Will die Erzieherin den Fall im Team besprechen,
ist dies ebenfalls eine Datenweitergabe, die aber
aus denselben Gründen befugt ist. Die Besprechung im Team
soll nämlich klären, ob die Gefahr für das Kind A) akut und
perspektivisch besteht, wie diese B) ohne Datenweitergabe
über Beratung und Hilfeangebote abgewendet werden kann
oder ob C) dieses nur durch Anzeige bei Jugendamt (oder ggf.
der Polizei) möglich ist
Hier noch einmal das Wichtigste in Kürze:
1. Geschützt sind alle personenbezogenen Angaben wie
Name, Anschrift, Geburtsdatum, Geschlecht, Religionszughörigkeit,
Nationalität, Krankheiten, Familienstand,
Kinderzahl, Einkommen, Beruf, Arbeitgeber, die im Zusammenhang
mit der Berufsausübung erhoben oder
verwendet werden.
2. Daten dürfen nur erhoben werden, wenn sie für die pädagogische
Aufgabenausübung in der Einrichtung erforderlich
(also nicht nur nützlich!) sind. Ist geklärt, welche
Daten erforderlich sind, müssen diese Daten beim Betroffenen
selbst erhoben werden.
3. Unter Strafe steht eine Datenweitergabe für SozialarbeiterInnen,
wenn diese unbefugt ein zum persönlichen Lebensbereich
gehörendes Geheimnis offenbaren, das ihnen
im Rahmen der Berufsausübung „anvertraut“ wurde
bzw. nur durch den beruflichen Kontakt zur Kenntnis der
Fachkraft gelangen konnte. Die Pflicht zur Verschwiegenheit
gilt auch gegenüber Polizei, Gerichten und anderen
Behörden sowie gegenüber ihrerseits schweigepfl