Frage
\textbf{Glück.}
Man könnte ja vermuten, das wenig[blank_start]stens[blank_end]1) die Gewinner in dem irrwitzigen Wett[blank_start]lauf[blank_end]2) um materielle Güter zufrieden und glüc[blank_start]klich[blank_end]3) sind. Das ist in der Re[blank_start]gel[blank_end]4) jedoch nicht der Fall. Die Mehrheit d[blank_start]er[blank_end]5) Menschen in den westlichen Industriegesellschaften i[blank_start]st[blank_end]6) seit den fünfziger Jahren des letzten Jahrhu[blank_start]nderts[blank_end]7) nicht glücklicher geworden trotz eines se[blank_start]hr[blank_end]8) starken Anstiegs des Bruttosozialprodukts, der Wertschöpfung, d[blank_start]es[blank_end]9) Warenkonsums, der Ferienreisen usw.
Im Gege[blank_start]nteil[blank_end]10).
In der rücksichtsloser gewordenen kapitalistischen Gesell[blank_start]schaft[blank_end]11), in der die selbstverantwortlichen Einzelkämpfer stä[blank_start]ndig[blank_end]12) Angst haben müssen, abzurutschen, zurückzubleiben i[blank_start]m[blank_end]13) atemlosen Wettlauf, nehmen Streß, Abstiegsängste, Depres[blank_start]sionen[blank_end]14), familiäre Konflikte, Verbrechen und Drogenkonsum, also Ung[blank_start]lück[blank_end]15) in der Gesellschaft zu. In Deuts[blank_start]chland[blank_end]16) beispielsweise hat sich seit den fünf[blank_start]ziger[blank_end]17) Jahren der Alkohohlkonsum vervierfacht. Viele halten d[blank_start]ie[blank_end]18) wohlstandschaffende Arbeit ohne Betäubung ihrer Si[blank_start]nne[blank_end]19) und Gefühle gar nicht mehr aus. Wohl[blank_start]stand[blank_end]20) und Wohlbefinden klaffen zunehmend auseinander. So[blank_start]ll[blank_end]21) die Arbeit der Menschen und Maschinen Gl[blank_start]ück[blank_end]22) erzeugen, so ist unser Wirtschaftssystem m[blank_start]it[blank_end]23) seiner enormen Wertschöpfung auf geradezu groteske We[blank_start]ise[blank_end]24) ineffizient? Nachdem die herrschende ökonomische Lehre die[blank_start]ses[blank_end]25) Thema über viele Jahrzehnt ignoriert hat, we[blank_start]il[blank_end]26)sie annahm, dass die Steigerung d[blank_start]es[blank_end]27) Wirtschaftswachstums und des Warenstroms automatisch zu höh[blank_start]erer[blank_end]28) Zufriedenheit führt, sind mittlerweile einige Ökon[blank_start]omen[blank_end]29) sehr irritiert und beunruhigt über das sta[blank_start]rke[blank_end]30) Auseinanderdriften von Wohlstand und Wohlbefinden.
Sie fra[blank_start]gen[blank_end]31) sich, wofür diese dominant gewordene Verans[blank_start]taltung[blank_end]32) Wirtschaft gut sein soll, wenn dadurch d[blank_start]ie[blank_end]33) beteiligten Menschen insgesamt unglücklicher werden. Für Ökon[blank_start]omen[blank_end]34) in früheren Zeiten, wie etwa f[blank_start]ür[blank_end]35) Alfred Marshall (1842-1924), war es selbstver[blank_start]ständlich[blank_end]36), daß ihre Wissenschaft sich auch u[blank_start]m[blank_end]37) das Glück der Menschen kümmern mus[blank_start]ste[blank_end]38). Sie hielten Glück für messbar u[blank_start]nd[blank_end]39) zwischen verschiedenen Menschen vergleichbar, und sie wus[blank_start]sten[blank_end]40) bereits, dass ab einer bestimmten Einkommenshö[blank_start]he[blank_end]41) zusätzliches Einkommen nur noch wenig bis g[blank_start]ar[blank_end]42) nichts zur Glückssteigerung beiträgt. Als da[blank_start]nn[blank_end]43) die psychologischen Auffassungen der Behavioristen w[blank_start]ie[blank_end]44) Watson, Pawlow und Skinner das Mensch[blank_start]enbild[blank_end]45) der Ökonomen beeinflußten, verschwand das Thema Gl[blank_start]ück[blank_end]46) für die Ökonomen. Wie die Behavi[blank_start]oristen[blank_end]47) meinten sie nun, dass man üb[blank_start]er[blank_end]48) innere Gefühlszustände wie Glück nichts auss[blank_start]agen[blank_end]49) könne und man sich an Äußeres hal[blank_start]ten[blank_end]50) müsse wie beobachtbares Verhalten.
So si[blank_start]nd[blank_end]51) bis heute für die herrschende ökono[blank_start]mische[blank_end]52) Lehre nur das Äußere, die offensi[blank_start]chtlich[blank_end]53) meßbaren Fakten wie Wirtschaftswachstum, Wertschöpfung, Arbeitspl[blank_start]ätze[blank_end]54), Einkommen, Kaufkraft und Warenkonsum im Fokus. Ökon[blank_start]omen[blank_end]55) wie Richard Layard, die Glück wie[blank_start]der[blank_end]56) im Zentrum der ökonomischen Theorie und Pra[blank_start]xis[blank_end]57) sehen möchten, fordern, daß Ökonomen a[blank_start]uf[blank_end]58) der Höhe der psychologischen und sozialpsyc[blank_start]hologischen[blank_end]59) Forschung sein müssten, damit sie i[blank_start]hr[blank_end]60) überholtes Menschenund Gesellschaftsbild überwinden. Man ka[blank_start]nn[blank_end]61) ja eine langsame Entwicklung dahin beoba[blank_start]chten[blank_end]62). Wenn Ökonomen kleinste sozialpsychologische Sachverhalte, d[blank_start]ie[blank_end]63) außerhalb der Ökonomenzunft seit langen bek[blank_start]annt[blank_end]64) sind, in ihre Theorie einbauen, hag[blank_start]elt[blank_end]65) es gleich Nobelpreise.
Dem Glück ste[blank_start]hen[blank_end]66) entgegen:
* Wenn das Leben m[blank_start]it[blank_end]67) Angst durchsetzt ist, weil der Arbeitspl[blank_start]atz[blank_end]68) bedroht ist, die materielle Zukunft ungewiß i[blank_start]st[blank_end]69), eine gesellschaftliche Ausgrenzung erfolgt durch d[blank_start]en[blank_end]70) Verlust der Lohnarbeitsstelle. Angstfreiheit ist ei[blank_start]ne[blank_end]71) unabdingbare Grundvoraussetzung für ein
glückliches Le[blank_start]ben[blank_end]72).
* Wenn durch ökonomische Forderungen na[blank_start]ch[blank_end]73) Flexibilität und Mobilität familiäre Bindungen, Freunds[blank_start]chaften[blank_end]74) und Nachbarschaftsnetze zerrissen werden. Intakte Fami[blank_start]lien[blank_end]75) und gemeinsame Aktivitäten mit Freunden i[blank_start]m[blank_end]76) Nahraum gehören zu den wichtigsten Glücksf[blank_start]aktoren[blank_end]77).
* Wenn die Lohnarbeit losgelöst i[blank_start]st[blank_end]78) von eigenen Interessen und sich tretmüh[blank_start]lenartig[blank_end]79) endlos wiederholt. Sinnerfüllte, selbstbestimmte und abwechslungsreiche Tätig[blank_start]keiten[blank_end]80) sind für die Glücksfindung sehr wichtig.
Wenn man ohnmächtig politischen und ökonom[blank_start]ischen[blank_end]82) Prozessen ausgeliefert ist. Selbstbestimmung und Mitbest[blank_start]immung[blank_end]83) in Politik und Wirtschaft sind glückss[blank_start]tiftend[blank_end]84).
* Wenn man zeitverschwendend in ei[blank_start]nem[blank_end]85) ständigen Statuswettlauf eingebunden ist, um Einkommensuntersc[blank_start]hiede[blank_end]86)zu anderen aufrecht zu erhalten. I[blank_start]n[blank_end]87) Ländern mit
geringeren Einkommensunterschieden sind d[blank_start]ie[blank_end]88) Menschen zufriedener.
* Wenn die Verfallsra[blank_start]te[blank_end]89) des Gelernten immer schneller wird u[blank_start]nd[blank_end]90) man sich ständig mühsam neu orientieren mu[blank_start]ss[blank_end]91). Ein längerfristig ausgerichteter verläßlicher Handlungsrahmen geh[blank_start]ört[blank_end]92) zu den Bedingungen für ein glückliches Le[blank_start]ben[blank_end]93). Im gegenwärtigen kapitalistischen Industrialismus sind d[blank_start]ie[blank_end]94) genannten Unglück erzeugenden
Faktoren Systemerfordernisse.
Darum suc[blank_start]hen[blank_end]95) nicht nur einige kritischer gewordene Ökon[blank_start]omen[blank_end]96) nach einer Ökonomie, nach einer Gesell[blank_start]schaft[blank_end]97), die wieder das
Glück der Mens[blank_start]chen[blank_end]98) zum Ziel hat? Pragmatische Politiker nehmen f[blank_start]ür[blank_end]99) sich in Anspruch, das zu t[blank_start]un[blank_end]100), was machbar ist? Aber machbar wo[blank_start]zu[blank_end]101)? Was wir dringend brauchen, ist ei[blank_start]ne[blank_end]102) Vorstellung von einer guten
Gesellschaft u[blank_start]nd[blank_end]103) vom richtigen Handeln.?