Ich will abbrechen, meine Herren, und morgen weiterschreiben, denn ich bin in einem Ton, der Ihnen vielleicht nicht so erbaulich ist, als er mir von Herzen geht. Schäkespears Theater ist ein schöner Raritätenkasten, in dem die Geschichte der Welt vor unsern Augen an dem unsichtbaren Faden der Zeit vorbeiwallt. Seine Plane sind, nach dem gemeinen Stil zu reden, keine Plane, aber seine Stücke drehen sich alle um den geheimen Punkt (den noch kein Philosoph gesehen und bestimmt hat), in dem das Eigentümliche unsres Ichs, die prätendierte Freiheit unsres Wollens, mit dem notwendigen Gang des Ganzen zusammenstößt. Unser verdorbner Geschmack aber umnebelt dergestalt unsere Augen, daß wir fast eine neue Schöpfung nötig haben, uns aus dieser Finsternis zu entwickeln.[...]
Goethe postuliert in diesem Abschnitt sein Menschenbild, das er in Anlehnung an Shakespeare als ein sehr individualisiertes darstellt. So gehe es auch in den Stücken nicht um große Ideen oder Pläne, sondern um die Auseinandersetzung des Individuums mit der Welt. Damit der Zuschauer diese freie Auseinandersetzung wahrnehme, müsse jedoch eine Kunstform geschaffen werden, die dem Zuschauer diese vor Augen führen könne.
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