Definition der Wahrnehmung: Wahrnehmen ist ein aktiver Prozess der Auseinandersetzung mit der sinnlich erfassbaren/ersehbaren/erfühlbaren/erhörbaren Außenwelt. Dabei gehen biologische und psychische Prozesse ineinander über:Sinnesorgane, reizaufnehmende Nerven, Verarbeitungsinstanzen des Nervensystems (Gehirn u. a.)Kognitive Prozesse des Auffassens, Filterns, Assoziierens, Interpretierens, Wertens usw.>> Störungen der Wahrnehmung können in beiden Bereichen vorliegen.Wahrnehmungen sind von Person zu Person verschieden (interindividuelle Varianz = Unterschied zwischen verschiedenen Personen). Auch dieselbe Person kann eine äußere Wahrnehmung im Verlaufe von Minuten, Tagen, Monaten oder Jahren jeweils ganz unterschiedlich interpretieren (intrapersonale oder intraindividuelle Varianz = Abweichung/Unterschied in derselben Person). Die Interpretation ist von augenblicklichen Gefühlen, Stimmungen, Wünschen und Ängsten stark abhängig. Diese sind häufig unbewusst.Wahrnehmung setzt sich aus einem Sinnesreiz sowie seiner körperlichen Weiterverarbeitung und aus der kognitiven Weiterverarbeitung des Sinnesreizes zusammen. Wahrnehmungsinterpretationen sind auch bei ein und derselben Person zeitlich nicht konstant. Sie werden u. a. durch Gefühle beeinflusst.
Sinnestäuschung/Wahrnehmungsstörung
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Die Wahrnehmung kann quantitativ und qualitativ gestört sein:Quantitative Störung: Lückenhafte oder verminderte Wahrnehmung tatsächlicher Außenreize.Vorkommen: Diese Störung ist bei körperlichen Störungen der Sinnesorgane oder des Gehirns anzutreffen.xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxQualitative Störung: Veränderte Wahrnehmung ohne tatsächliche Außenreize, mit einem veränderten Realitätserleben.Vorkommen: Wahrnehmungsstörungen treten bei körperlich begründbaren und bei endogenen Psychosen auf. Sie können jedoch auch bei gesunden Personen kurzfristig auftreten, wenn diese stark erregt oder ängstlich sind, sowie direkt vor dem Einschlafen oder direkt nach dem Erwachen (so genannte hypnagoge Halluzinationen).
Quantitative & Qualitative Störungen
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Wir unterscheiden drei Gruppen von Wahrnehmungsstörungen:Halluzinationen (sinnliche Wahrnehmung, für die es in der Außenwelt kein Korrelat/Entsprechung gibt)
den Halluzinationen nahe stehende Störungen – Pseudohalluzinationen – Illusionen (Verkennung tatsächlicher Gegenstände) und illusionäre Verkennungen – Pareidolien (vorhandene Gegenstände werden umgeformt)Sog. einfache Wahrnehmungsstörungen und sensorische (die Sinnesreize betreffend) Störungen
Gruppen von Wahrnehmungsstörungen
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Definition: Irreale sinnliche Wahrnehmungen (Sehen, Hören, Riechen, Schmecken ...) ohne einen entsprechenden äußeren Sinnesreiz. Die Wahrnehmung wird vom Patienten als wirklich empfunden. Die Patienten können über ihre Wahrnehmung jedoch noch urteilen: Einige glauben, die Wahrnehmung sei absolut gewiss, andere bezweifeln den Wirklichkeitscharakter, andere „wissen, dass das nicht wirklich ist“.Halluzinationen betreffen alle Sinnesqualitäten. Am häufigsten finden sich folgende Störungen:XXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXAkustische Halluzinationen: Der Patient hört Geräusche, Töne, Stimmen, Dialoge, Befehle. Wir unterscheiden folgende Untergruppen:ungeformte Geräusche (Knallen, Zischen, Heulen, Jaulen usw.);Stimmen, Sätze, Wortekommentierende Stimmen (sie begleiten die Handlungen des Patienten und geben „ihren Senf dazu“)Stimmen, die dem Patienten Befehle erteilen
Gedankenlautwerden (die eigenen Gedanken werden laut gehört)
Halluzinationen
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Vorkommen: bei Schizophrenie, im Alkoholentzugsdelir, im Alkoholrausch (Kontinuitätsdelir), als Alkoholhalluzinose und bei anderen körperlich begründbaren Psychosen.XXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXOptische Halluzinationen: Der Patient sieht Gestalten, Symbole, Personen, HandlungenVorkommen: Alkoholentzugsdelir („weiße Mäuse“ u. Ä.), Alkoholpsychose oder Alkoholhalluzinose, im Delirium, nach bestimmten Rauschdrogen (z. B. nach LSD) oder nach Schäden des Sehzentrums im Großhirn. Schizophrene Patienten haben seltener optische Halluzinationen. In Prüfungen wird oft verlangt: Bei Alkoholentzugsdelir treten vorwiegend optische Halluzinationen auf; bei „Alkoholhalluzinosen“ dagegen eher akustischeXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXGeruchs- und Geschmackshalluzinationen: Wahrnehmen von Geruch und Geschmack. Meist handelt es sich um einen unbestimmten ekelhaften Geruch oder GeschmackVorkommen: Depressive nehmen manchmal Verwesungs- oder Kotgeruch wahr, Patienten mit Vergiftungswahn nehmen gelegentlich Gasgeruch oder einen merkwürdigen Geschmack des Wassers wahr.
Halluzinationen
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Hautempfindungshalluzinationen/Taktile Halluzinationen: Die Patienten haben beispielsweise das Gefühl, berührt, bestrahlt, angehaucht, angeblasen, durchstochen, gewürgt, geschlagen zu werden. Eine Sonderform ist der Dermatozoenwahn, der bereits unter dem Wahn erwähnt wurdeVorkommen: bei Schizophrenie, häufiger bei älteren Patienten mit körperlich begründbaren Psychosen sowie in Rauschzuständen nach übermäßiger Zufuhr von Alkohol oder anderen berauschenden Substanzen.XXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXKörperhalluzinationen: Bizarre Leibmissempfindungen; beispielsweise als hätte der Patient einen Gürtel um sich, sei wie verdorrt, geschrumpft, aus Wachs, als zerfließe er, schwebe oder sinke, werde inwändig mit Platin gekleidet oder bewegt und verschoben XXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXX
Halluzinationen
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Beeinflussungserlebnisse: Wenn die Hautempfindungshalluzinationen
und Körperhalluzinationen den Charakter des „von außen Gemachten“
haben, dann spricht man auch von leiblichen Beeinflussungserlebnissen.
Die Patienten berichten beispielsweise, dass sie „von hypnotischen
Magnetwellen der Staatssicherheit geschrumpft werden und dadurch
Hautbrennen verspüren“.XXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXFunktionelle Halluzinationen: Dies
ist eine Sonderform o. g. Halluzinationen, insbesondere der
akustischen. Die Halluzination tritt nur zusammen mit einem
tatsächlichen Außenreiz auf. So hört der Patient z. B. nur Stimmen, wenn
Kirchturmglocken läuten.
Halluzinationen
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Halluzinationen nahe stehende Störungen
Definition: Sinnestäuschungen, die den echten Halluzinationen nahe stehen. Bei ihnen wird etwas wirklich Wahrgenommenes stark verändert erlebt, oder die Sinnestäuschung wird sicher als unwahr erkannt. Die Übergänge zur Halluzination sind fließend.Wir unterscheidenPseudohalluzinationenIllusionen
Pareidolien
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Pseudohalluzinationen
Pseudohalluzinationen: meist bildhafte Sinnestäuschung, deren Trugcharakter von den Patienten erkannt wird. Ein Zwangskranker sieht z. B. sehr kurz einen ermahnenden Zeigefinger.Illusion oder illusionäre Verkennung: Etwas tatsächlich Vorhandenes wird illusionär als etwas anderes verkannt. Starke Emotionen, Übermüdung und Dunkelheit können zu illusionären Verkennungen führen. So sieht z. B. ein geängstigtes Kind unter seinem Bett einen Wolf, obwohl dort in Wirklichkeit nur eine Einkaufstüte liegt. Bei der Illusion wird etwas Tatsächliches als etwas anderes wahrgenommen.Pareidolien: In etwas wirklich Vorhandenes wird etwas nicht Vorhandenes hineingesehen. Beispiele: Im Mond wird ein Gesicht wahrgenommen, Wolken werden zu Gesichtern. Bei der Pareidolie wird oft in dem Tatsächlichen noch etwas anderes wahrgenommen. Pareidolien werden häufig auch nur „Illusionen“ genannt. Der genaue Unterschied wird meist nur in Büchern berücksichtigt: Bei der Illusion wird das Wahrnehmbare nur als Illusion verkannt. Bei der Pareidolie wird das Wahrnehmbare noch als solches erkannt, und daneben/gleichzeitig wird darin auch noch eine Illusion wahrgenommen.
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Einfache Wahrnehmungsstörungen & ...
Einfache Wahrnehmungsstörungen & sensorische StörungenDefinition: Die Realität wird richtig erkannt, ihre Qualität, Intensität, Größe u. a. wird jedoch verändert erlebt.Vorkommen: bei allen psychischen Erkrankungen und bei Schäden des Gehirns.Intensitätsminderung: Alles erscheint eintönig, farblos, grau, starr, unmelodisch, monoton. Sonderform: Verschwommensehen. Häufig bei Depression.Intensitätssteigerung: Alles erscheint hell, bewegt, abwechslungsreich, farbig. Sonderform: Farbigsehen auch im Dunkeln oder Farbigsehen vonSchwarzweißfilmen. Meist bei Manie oder unter Drogeneinfluss.Metamorphopsie: Gegenstände werden in Form und Farbe falsch oder verzerrt gesehen.Mikropsie: Gegenstände werden als sehr klein wahrgenommen. Eine Sonderform ist der Liliputismus, bei dem Gegenstände, Personen oder Personengruppen als sehr winzig wahrgenommen werden.Makropsie: Gegenstände werden als sehr groß wahrgenommen
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Ich-Störungen und Entfremdungserleben
Ich-Störung Definition: Psychische Vorgänge werden so erlebt, als gehörten sie nicht mehr zum eigenen Ich, sondern als wären sie von außen gemacht. Man spricht auch von einer Störung der Meinhaftigkeit. Das Erleben erscheint unwirklich. Die Integrität des Erlebens und Verhaltens ist gestört (Einheitserleben), und die eigene psychische Person kann nicht mehr gegen die Außenwelt abgegrenzt erlebt werden. Der Patient fühlt sich entfremdet.Klassisch werden schwere Ich-Störungen als wichtige Hinweise für das Vorliegen einer Schizophrenie gewertet.Wir unterscheiden zwei Hauptgruppen:Ich-Störungen, bei denen der Patient nicht zwischen Ich und Außenwelt unterscheiden kann.Entfremdungserlebnisse, bei denen der Patient das Gefühl hat, die Umwelt oder er selbst seien „irgendwie anders“.
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Gedankenausbreitung: das Gefühl, andere könnten die eigenen Gedanken wahrnehmen, da sie nicht mehr innerhalb der Ich-Grenze geschützt sind und sich in alle Richtungen ausbreiten können.Gedankenentzug: Gedanken werden von außen (oder bestimmten Personen) weggenommen oder aufgesogen, so dass sie der eigenen Person dann nicht mehr zur Verfügung stehen.Gedankeneingebung: Das Gedachte entsteht nicht mehr im eigenen Kopf, sondern wird von außen eingegeben oder gemacht (meist um den Patienten zu steuern). Der Patient hat das Gefühl, dass er nicht mehr alleine in seinem Kopf denkt.
Gestörte Ich-Steuerung: Wollen, Denken und Handeln werden nicht mehr vom Patienten selbst gemacht. Er wird von außen gesteuert. Der Patient hat z. B. nicht das Gefühl, er hebe seine Hand sondern jemand anderes mache das.
Entfremdungserleben: Die eigene Person oder die Umwelt wird als unwirklich und verändert erlebt (Depersonalisation, Derealisation). Die Wahrnehmungswelt kann entfremdet sein (das Außen), die eigenen psychischen und äußeren Handlungen können als verändert erlebt werden, oder das Erleben vom eigenen Körper oder von Körperteilen kann verändert wahrgenommen werden. Entfremdungserlebnisse werden häufig nicht als von außen gemacht erlebt. Sie sind daher unspezifisch und werden nicht als typisch „schizophrenie hinweisend“ gewertet.Ich-Störungen sind häufig ein Hinweis auf das Vorliegen einer Schizophrenie. Entfremdungserleben ist dagegen eher unspezifisch und kann auch bei vielen anderen psychischen Störungen auftreten.
Die Störungen im Einzelnen:
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Störungen der Affektivität
Definition: Unter Affektivität verstehen wir die Gesamtheit des Gefühlserlebens (Emotionalität, Gemüt) und der Stimmungen eines Menschen.Die Stimmung bezeichnet eher eine dauerhafte Gemütsverfassung. Die Lebensgrundstimmung bezeichnet die emotionale Grundausrichtung eines Menschen (schwermütig, fröhlich, gereizt, missmutig). Der Affekt bezeichnet eher die Gestimmtheit im Augenblick.Unter „affektiver Schwingungsfähigkeit“ verstehen wir das gefühlsmäßige Eingehen auf die Veränderungen in der Außenwelt (synthym z. B.: Traurigkeit bei Verlust, Hochstimmung bei Erfolg). Eine verminderte affektive Schwingungsfähigkeit bezeichnet das Verharren in einer GrundstimmungStimmung: dauerhafte Gestimmtheit (im Bezug auf das ganze Leben: Lebensgrundstimmung)Affekt: augenblicklicher Zustand des GefühlsAffektive Schwingungsfähigkeit: emotionales Eingehen auf die Veränderungen in der Innen- oder Außenwelt
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Wichtige Störungen ...
Wichtige Störungen von Affektivität & Stimmung:Affektarmut: dauerhaft verminderte affektive Schwingungsfähigkeit. Oft ein Gefühl der Gefühllosigkeit, abgestorbener Gefühle. Schwerste Form: Die Patienten können für niemanden und für nichts mehr etwas empfinden. Vorkommen z. B. bei körperlich begründbaren Psychosen oder bei Depression.Affektstarre: Unabhängig von der äußeren Situation verharrt der Patient in seinem Affekt. Er hat also noch einen Affekt, kann diesen aber nicht mehr verändern (Verlust der Modulationsfähigkeit).Inadäquater Affekt: Gefühlsausdruck und Erleben stimmen nicht überein oder widersprechen sich sogar (paradoxer Affekt, parathymes Erleben).Affektinkontinenz: Die Affekte sind kaum steuerbar und wechseln übermäßig schnell und oft. So können Weinen und Lachen innerhalb weniger Sekunden abwechseln. Wenn ein Affekt plötzlich, unvermittelt und heftig auftaucht, spricht man von einem Affekteinbruch.Affektlabilität: Die Affekte sind oft nur von kurzer Dauer und wechseln häufig (auch in gegenteilige Affekte). Im Gegensatz zur Affektinkontinenz ist die Stimmungsschwankung dem Betroffenen zwar bewusst, wird von diesem aber nicht als peinlich oder krankhaft erlebt.Ambivalenz: das Nebeneinander sich widersprechender Affekte, Stimmungen, Strebungen u. a. bzw. das geichzeitiges Auftreten von Gefühlsverfassungen, die miteinander in Konflikt stehen
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Vitalstörungen: Besonders bei schweren Depressionen kommt es zu
Leibgefühlen, die mit der tiefen Traurigkeit einhergehen: Druck auf der
Brust, Schwere der Beine u. a. Oft wird die Traurigkeit selbst nicht
empfunden, und die Patienten stellen sich nur mit den körperlichen
Beschwerden bei ihrem Arzt vor. Man spricht auch von einer maskierten oder larvierten (= versteckte/verkappte) Depression.Die Störungen der Affektivität beeinflussen auch das Selbstwertgefühl sowie das Fremdwertgefühl: die Gefühle, die ein Mensch für sich selbstempfindet (Kraft, Stolz, Reue, Verlegenheit ...), und jene Empfindungen und Handlungen, die er anderen Menschen entgegenbringt (Zuneigung, Liebe, Hass, Spott ...).
Wichtige Störungen ...
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Angst, Phobie und Panik
Definition der Angst: Unter Angst versteht man ein unbestimmtes, ungerichtetes Gefühl der Beengung, Bedrohung oder des Ausgeliefertseins. Es bezieht sich nicht auf eine Ursache. Furcht hingegen kennzeichnet die Angst vor einem Ereignis, einer Person oder einem Gegenstand.Angst geht immer mit körperlichen Symptomen einher, da diese Emotion eng mit dem vegetativen Nervensystem verbunden ist: Es kommt zu Herzklopfen, Schwitzen, Zittern, Magendruck u. a.Formen oder Ausdrucksweisen der Angst:Realangst (Furcht): Angst vor Examen, unbekannten Situationen, dunklen Kellern u. a.Phobie: Die Angst wird durch ganz bestimmte Situationen oder Gegenstände hervorgerufen, die normalerweise nicht zu dieser Reaktion führen. Es kommt oft schon im Voraus zu angstbesetztem Denken, zu einem Vermeidungsverhalten. Die Phobien ähneln darin (in dem Vermeidungsverhalten und ggf. auch dem angstbesetztem Denken) den Zwängen. Sonderformen der Phobie (Beispiele): – Agoraphobie (gr. = Marktplatz): Angst vor freien Plätzen – Klaustrophobie: Angst vor engen oder geschlossenen Räumen – Arachnophobie: Angst vor Spinnen – Akrophobie (gr. = Spitze): Höhenangst
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Panik und Panikattacke: Die Panikattacke ist ein eigenständiges Krankheitsbild und gehört daher eigentlich in die spezielle Psychopathologie. Es handelt sich um Episoden intensiver Angst, die sich unerwartet und unvorhersehbar einstellen. Es kommt zu Atemnot, Benommenheit, Herzrasen, Zittern, Erstickungsgefühl u. a.
Angst, Phobie und Panik
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Antriebs- & psychomotorische Störungen
Definition: Unter Antrieb verstehen wir den unbewussten Wunsch oder Drang zu fühlen, zu denken und zu handeln. Es handelt sich um einen Kunstbegriff, der belebende, aktivierende psychische Vorgänge oder Kräfte umfasst, die Intensität, Ausdauer und Tempo unserer innerseelischen Prozesse steuern. Das Ausdrucksverhalten dieser Vorgänge nennen wir Psychomotorik.Wir unterscheiden folgende Arten der Antriebsstörung oder psychomotorischen Störung:Herabgesetzter AntriebGesteigerter AntriebPsychomotorische Störung
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Herabgesetzter Antrieb
Antriebsarmut ist durch Trägheit, Interesselosigkeit und eine fehlende Spontanität gekennzeichnet. Die Betroffenen leiden oft nicht unter dieser Störung, nehmen sie jedoch wahr.Antriebsverarmung: Ein ehemals guter Antrieb ist nicht mehr vorhanden.Antriebshemmung ist das Unvermögen, den Antrieb trotz großer Willensanstrengungen zu steigern. Beabsichtigte Handlungen können trotz guten Willens nicht durchgeführt werden. Die äußere Hülle der Trägheit entspricht nicht dem Inneren der Kranken: Sie leiden oft an einem inneren Gefühl des Getriebenseins und der Unruhe.
Antriebsschwäche: Ein zunächst vorhandener Antrieb erlahmt rasch und kann nicht über einen längeren Zeitraum aufrechterhalten werden.Vorkommen: Antriebsarmut und -verarmung kommen häufig bei einer Unterfunktion der Schilddrüse vor (Hypothyreose), bei Hirntumoren oder Hirnentzündungen, bei körperlich begründbaren Psychosen und bei verzehrenden Erkrankungen. Antriebshemmung und -schwäche finden sich häufig bei Depressionen.
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Antriebssteigerung: Der Antrieb ist gesteigert, ohne dass hierfür eine äußere Ursache erkennbar sein muss. Oft finden sich auch innere Unruhe,Rastlosigkeit und Triebhaftigkeit.Die Veränderung kommt bei Gesunden vor, die emotional (affektiv) stark erregt sind oder die beispielsweise viel Kaffee getrunken oder zu viel geraucht haben. Sie findet sich auch bei Manie, sogenannter agitierter Depression (Depression, bei der das quälende Getriebensein im Vordergrund steht). Sie kann auch Ausdruck anderer organischer Störungen sein.
Antriebssteigerung
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Psychomotorische Störungen: Diese Störungen finden sich häufig bei
Schizophrenie, der Mutismus tritt auch bei Neurosen auf. Wir werden
darauf in der speziellen Psychopathologie zurückkommen. Folgende
Sonderformen dieser Störung werden in amtsärztlichen Überprüfungen
gelegentlich abgefragt:Stupor: keine Reaktion auf Versuche der
Kontaktaufnahme trotz wachem Bewusstsein. Achtung: Im angloamerikanischen Raum bedeutet „stupor“
meist etwas anderes: organisch begründete Bewusstlosigkeit.
Manieriertheit (Gekünstelt) und Theatralik: verstiegenes (gekünsteltes) und übertrieben geziertes VerhaltenHyper- oder Hypokinese: gesteigerter oder deutlich reduzierter BewegungsdrangRaptus: plötzlich einsetzender extremer ErregungszustandMutismus (lat. = stumm) : beharrliches Schweigen, absichtlich oder aus (psychomotorischer) Unfähigkeit herausKatalepsie: Eine eingenommene Körperhaltung wird nicht mehr verändert, die Patienten verharren starr und unbeweglich (kataton) über einen längeren Zeitraum
Echopraxie und Echolalie: Die Patienten imitieren Bewegungen oder wiederholen zuvor gehörte Wörter und Sätze
Psychomotorische Störungen
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Kontaktstörungen
Definition: Kontakt meint hier die gesunde Fähigkeit, mit seinen Mitmenschen in vertrauensvolle Beziehungen zu treten sowie soziale Distanz oder Isolierung zu überwinden.Kontaktstörungen sind bei vielen psychischen Erkrankungen oder Auffälligkeiten zu finden und gehören auch zu den „Leiden“ vieler gesunder Menschen. Kontaktstörungen können quantitativ oder qualitativ sein. Bedenken Sie bitte, dass auch ein „Schweigen“ oder ein „völliges Desinteresse“ an anderen Menschen eine Form der Kommunikation und Beziehungsgestaltung ist: „Man kann nicht nicht kommunizieren“(Watzlawick).Quantitative Kontaktstörung, Beispiele:Distanzlosigkeit: übermäßige Vertrautheit und Intimität, auch zu völlig fremden Personen, geringer Körperabstand oder sogar spontane Aufnahme von Körperkontakt. Vorkommen z. B. bei der Manie.Unfähigkeit zur Kontaktaufnahme: weitgehendes Desinteresse an anderen Personen oder einer Kommunikation mit ihnen. Vorkommen z. B. bei der DepressionAutismus: Rückzug in eine Privatwirklichkeit, Abkehr von der Außenwelt. (Es handelt sich hierbei auch um eine Ich-Störung.)
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Kontaktstörungen
Qualitative Kontaktstörung, Beispiele:Aggressivität: Der Kontakt wird ohne ersichtlichen Grund feindlich und gereizt aufgenommen und/oder weitergeführt.Misstrauen und Angst: übermäßig vorsichtige Kontaktaufnahme und -pflege.Oberflächlichkeit: Es sind nur oberflächliche Gespräche und ein unverbindliches Miteinander möglich.Wir haben nur wenige Beispiele für Kontaktstörungen aufgeführt. Diese Störungen sind unspezifisch und finden sich in Kombination mit vielen psychischen Symptomen und Erkrankungen, beispielsweise bei Persönlichkeitsstörungen, Sexualstörungen, Abhängigkeitserkrankungen, endogenen Psychosen u. a.
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Störungen der Intelligenz
Definition der Intelligenz: Es handelt sich um eine sehr komplexe Funktion unterschiedlicher kognitiver Leistungen, die in die Fähigkeit münden, Aufgaben des täglichen Lebens (praktische Intelligenz) oder Aufgaben abstrakter Qualität bestmöglich zu lösen. Hierzu gehört auch die Fähigkeit des abstrakten Lernens und des Lernens an Erfahrungen.In Ihrer Befunderhebung müssen Sie keinen Intelligenztest aufnehmen. Sie sollten jedoch grobe Hinweise auf eine Intelligenzminderung registrieren. Dies können Sie für Ihre persönlichen Notizen auch in eigenen Worten umschreiben und sich dabei zunächst selbst in Frage stellen (Vermutungen formulieren). Ein Beispiel: „Der Patient scheint sehr einfach strukturiert und kann differenzierten Fragen nicht folgen. Er hat eine geringe Bildung, und möglicherweise ist auch die Intelligenz leicht gemindert?
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Wir unterscheiden angeborene und erworbene Intelligenzminderungen:Angeborene Intelligenzminderung (Oligophrenie):Diese
Form der Intelligenzminderung hat ihre Ursachen in der Schwangerschaft
oder in einem Schaden, der unter der Geburt (perinatal) aufgetreten ist.
Anhand eines Intelligenztests werden folgende Schweregrade
unterschieden:leichte Intelligenzminderung (Debilität): IQ 50–69mittelgradige Intelligenzminderung (Imbezillität): IQ 20–49schwere Intelligenzminderung (Idiotie): IQ unter 20Erworbene Intelligenzminderung:Verlust von vorbestehenden intellektuellen Fähigkeiten durch organische Hirnerkrankungen (Demenz = meist degenerative Hirnerkrankung mit meist langsamem Verlust kognitiver Fähigkeiten).Demenz und Debilität können bewusst oder unbewusst vorgetäuscht werden. Aber auch Medikamente, psychoaktive Substanzen oder psychische Erkrankungen wie Depression können zu einer starken Minderung intellektueller Fähigkeiten führen und so den Eindruck einer Demenz hervorrufen.
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Zirkadiane Besonderheiten
Psychopathologische Befunde werden zusätzlich durch ihre Veränderungen im Tagesablauf (zirkadianer Verlauf) gekennzeichnet. Es kann für die Diagnostik und für die Therapie hilfreich sein, dieses Kriterium zu berücksichtigen. Beispiele in Form von Patientenaussagen:„Morgens bin ich meist total niedergeschlagen und fühle mich absolut leer. Wenn ich dann einige Tassen Kaffee getrunken habe, komme ich gegen Mittag erst aus dem Bett heraus und kann wenigstens etwas im Haushalt machen. Nachmittags und abends geht es dann so einigermaßen.“„Besonders morgens kriege ich immer dieses Panikgefühl, wenn ich im Bus sitze. Ich weiß nicht, woran das liegt. Abends, wenn ich von der Arbeit zurückkomme, oder überhaupt abends geht es dann. Da bin ich noch nie panisch geworden.“„Tagsüber bin ich total müde und unkonzentriert. Nachts sitze ich dann kerzengerade im Bett und grübele herum.“„Bis 17 Uhr geht alles gut. Dann setzen die Sorgen ein und quälen mich bis in die frühen Morgenstunden.“In Ihrer Anamnese und Befunderhebung sollten Sie explizit (= ausdrücklich, deutlich. Gern von Medizinern genutzt. Gegenteil: implizit) nach dem Symptomverlauf über den Tag fragen.
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Suizidalität
Definition: Tendenz zur Selbsttötung. Die gedankliche Beschäftigung mit einer Selbsttötung und die Gefährdung, die sich daraus ergibt.Wir werden in der speziellen Psychopathologie noch ausführlich auf die Suizidalität zu sprechen kommen. Wir möchten Sie jedoch schon jetzt bitten, Ihren psychischen Befund immer durch eine explizite Frage zum Thema Selbstmord zu ergänzen. Sie brauchen diese Frage nicht beschwichtigend einzuleiten mit einer Floskel: „Ich werde Sie jetzt etwas fragen, das vielleicht komisch klingt, aber ich muss das halt fragen, da es pro forma dazugehört ...“ Fragen Sie einfach und direkt: „Haben Sie jemals an Selbstmord gedacht oder sich näher damit beschäftigt, oder haben Sie jemals versucht, sich das Leben zu nehmen?“Manche Untersucher stellen diese Fragen nicht, weil sie Angst vor der Antwort und deren Konsequenzen haben: „Was mache ich, wenn der Patient ja sagt ...?“ Andere Untersucher notieren: „Kein Anhalt für eine Suizidalität“, haben den Patienten aber nicht direkt gefragt – und dies, obwohl das Thema den Patienten vielleicht innerlich sehr gequält hat.Wenn Sie explizit nach Suizidalität gefragt haben, notieren Sie das Ergebnis der Gesprächssequenz. Beispielsweise: „Suizidalität glaubhaft verneint.“Patienten, die sich mit dem Gedanken ihrer Selbsttötung beschäftigen, sind oft dankbar, wenn sie jemand direkt darauf anspricht. Entgegen einem häufigen Vorurteil werden diese Patienten durch das direkte Ansprechen des Themas nicht „erst recht in den Selbstmord getrieben“. Natürlich ist ein angemessener und kompetenter Umgang mit diesem Thema erforderlich. Wir werden darauf zurückkommen. Vorerst genügt es, wenn Sie wissen, dass die Frage nach einer Suizidalität unbedingt in den Befund gehört.
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Krankheitseinsicht und Therapiemotivation
In einer privaten Praxis für Psychotherapie werden Sie überwiegend Patienten kennen lernen, die ein Krankheitsgefühl haben. Diese Patienten stellen sich mit einem Leid bei Ihnen vor. Das muss jedoch nicht bedeuten, dass die Krankheit vom Patienten akzeptiert wurde (als Realität anerkannt; nicht: begrüßt). Gelegentlich werden von Patienten auch Krankheiten oder Symptome abgespalten: „Ich fühle mich so depressiv, mit dem Alkohol habe ich aber kein Problem, damit könnte ich jederzeit aufhören, wenn ich nur wollte!“ Dieser Patient akzeptiert seine Traurigkeit, leugnet aber seine Abhängigkeitserkrankung und ihre vielfältigen Folgen.Krankheitseinsicht und -akzeptanz müssen langsam wachsen und oft erst systematisch erlernt werden! Ohne Krankheitseinsicht sind die Heilungschancen psychischer Erkrankungen gering.
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Von der Krankheitseinsicht hängt der Grad der Behandlungsbereitschaft (Therapiemotivation) entscheidend ab.Häufig gebrauchte Schlüsselbegriffe:Compliance (engl. = Einwilligung/Bereitschaft): Bereitschaft eines Patienten zur aktiven Mitarbeit an Diagnostik und Therapie. Bei medikamentöser Behandlung auch: Einnahmetreue.Arbeitsbündnis: Patient und Therapeut treffen eine realistische Vereinbarung über ihre weitere Zusammenarbeit. Diese Vereinbarung wird von beiden Partnern getragen.Leidensdruck: subjektive Einsicht in die quälenden Aspekte der Erkrankung. Der Leidensdruck führt meist dazu, dass Patienten Hilfe suchen. Es handelt sich jedoch noch nicht um Krankheitseinsicht.
Krankheitsgewinn, primär: Durch die Beschäftigung mit dem Leiden wird von ängstigenden unbewussten psychischen Konflikten „abgelenkt“.Krankheitsgewinn, sekundär: Die Rolle des Kranken bringt soziale Vorteile: Entlastung oder Freistellung von Arbeit, Zuwendung durch Fachpersonal und Angehörige, Rente usw. Der sekundäre Krankheitsgewinn ist meistens „nur halb bewusst“ und wird bewusst geleugnet.
Schlüsselbegriffe
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Simulation: Ein Leiden wird voll bewusst vorgetäuscht, um in den Genuss sozialer Vorteile zu kommen (z. B. Atteste, Rente usw.).Dissimulation:
Patienten verharmlosen, bagatellisieren oder verschweigen ihre
Beschwerden. Dies kann bewusst und unbewusst geschehen: „Ach, ich habe
zwar manchmal diese Herzstiche, das hat aber doch jeder mal. Man sollte
so was nicht zu ernst nehmen!“.-> WEITER AUF S. 29: (NEUES DOKUMENT HIERFÜR ANLEGEN)