Karteikarten zur Vorlesung E1 Heterogenität, Differenzierung, Integration

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Karteikarten zur Vorlesung E1, Notizen zu den Folien
Eva Bens
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Eva Bens
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Pregunta Respuesta
Die ungleichheitsorientierte Sozialisationsforschung "Jede Institution - also auf Dauer gestellte Handlungen - bedürfen einer bestimmten Sozialisation ihrer Mitglieder. Ohne diese Sozialisation gibt es keine Institutionen. Institutionen leben davon, dass Menschen wissen, wie sie sich zu verhalten haben." (Bauer 2011)
Unterteilung der Sozialisation in Phasen nach verschiedenen Kriterien: - Altersstufen - Institutionalisierung des Lebenslaufs - Entwicklungsaufgabe pro Lebensphase
Eine Definition für Sozialisation nach Hurrelmann und Geulen, 1980 ...der Prozess der Entstehung und Entwicklung der Persönlichkeit in wechselseitiger Abhängigkeit von der gesellschaftlich vermittelten sozialen und materiellen Umwelt. Vorrangig ist dabei, wie sich der Mensch zu einem gesellschaftlich handlungsfähigen Subjekt bildet.
Die doppelte Bedeutung von Sozialisation Integration/Vergesellschaftung: - Integration von Menschen in ein soziales Gefüge - Erlernen grundlegender Kompetenzen, um in einem sozialen Feld/in einer sozialen Gruppe handeln zu können
Persönlichkeitsentwicklung/Individuation: - von Persönlichkeitsmerkmalen, Fähigkeiten und Kompetenzen, um eigenständig und autonom handeln zu können Spezifische Perspektive auf Bedingtheit und Offenheit von Persönlichkeitsentwicklung und Handlungsfähigkeit: - kein Biologismus - keine Begabungslehre - kein Milieudeterminismus - kein Idealismus - keine Verengung auf intentionale Erziehung
Begriffliche Abgrenzung nach Hradil:
Differenzen: - Unterschiede ohne direkte Folgen - horizontale Unterschiede Ungleichheiten: - Beeinflussen unmittelbar Lebens-/Verwirklichungschancen, Handlungsfähigkeit - vertikale Besser- und Schlechterstellungen - Möglichkeit zum „Guten Leben“ / Persönlichkeitsentfaltung
Strukturierte Soziale Ungleichheit - Ressourcenausstattung (z.B. Bildung/Einkommen) oder Lebensbedingungen (Wohnverhältnisse) sind aus gesellschaftlichen Gründen so beschaffen, dass bestimmte Bevölkerungsteile regelmäßig bessere Lebens- und Verwirklichungschancen als andere Gruppierungen haben.
Die Analyse von Ungleichheiten ist auf zwei Ebenen dynamisch: 1. Steter Wandel sozialer Ungleichheiten: - Ungleichheiten in einer Gesellschaft bleiben nicht stabil - diachrone (Dynamik) und synchrone (zw. Gesellschaften) Unterschiede - z.B. Verteilung von Einkommen, Vermögen, Bildungschancen, Bildungsgrad - Langfristiger Wandel (ständische vs. Moderne Gesellschaft) - aktuelle Tendenzen (z.B. Einkommensschere)
2. Wandel in der wissenschaftlichen Analyse sozialer Ungleichheiten: - Sozialstrukturanalyse und Ungleichheitsforschung verändern ihre Wahrnehmung sozialer Ungleichheiten "Klassiker der Soziologie: - Emile Durkheim - Karl Marx - Max Weber
Forschung zu sozialer Ungleichheit in Deutschland nach dem 2. Weltkrieg: In den wesentlichen Gesellschaften der Nachkriegszeit überwiegt die Erwartung einer „Nivellierung“ (Schelsky) der Sozialstruktur: - Vereinheitlichung wirtschaftlicher Lagen / der Teilhabe am modernen Wohlstand - Ende der Interessenkluft zwischen Bourgeoisie und Proletariat
These der nivellierten (kleinbürgerlichen) Mittelstandsgesellschaft: Voraussetzungen der Diagnose waren: - „Boom“- Bedingungen: Wirtschaftswunder - Vorangegangene Auf- und Abstiegsprozesse Empirisch ließ sich die Diagnose nicht halten
Boom der schichtspezifischen Sozialisationsforschung (schichtspezifische Forschung 1950er-70er: - Untersuchungen zur schichtspezifischen Sozialisation setzten nach dem zweiten Weltkrieg vorrangig im angelsächsischen Sprachraum ein und erreichten zu Beginn der 60er Jahre ihren Höhepunkt - In Deutschland begann ihre akademische Rezeption bereits Mitte der 60er in Frankfurt und Berlin - das gemeinsame Erkenntnisinteresse dieser Arbeiten richtete sich auf die Reproduktion der Struktur sozialer Ungleichheit
Zentraler Zugang: - Merkmale und Mechanismen ungleicher Sozialisationsbedingungen werden systematisch in Beziehung gesetzt mit der Struktur sozialer Ungleichheit und ihrer Reproduktion - Hauptfokus waren von Beginn an Bildungsungleichheiten - Hauptbefund ist der Nachweis, dass Heranwachsende mit sozial und ökonomisch deprivierter Herkunft ein nur geringes Maß an Bildungschancen besitzen und daher die unterdurchschnittlichen Berufs-, Einkommens- und Lebenschancen ihrer Herkunftsfamilie reproduzieren
Erkenntnisinteressen schichtspezifischer Sozialisationsforschung: Wie wirken sich unterschiedliche soziale Kontexte / schichtspezifische Herkunftsfaktoren auf die Entwicklung aus? → Hier vor allem die Forschung zu schichtspezifischen Ungleichheiten Wie bilden sich Kompetenzen aus, mit denen sich jemand von seinen Herkunftsfaktoren „emanzipieren“ kann? → Hier vor allem die Praxis der kompensatorischen Erziehung Bildung im Fokus gesellschaftlicher Aufmerksamkeit → „Bildungskatastrophe“
1964 beschrieb der Lehrer Georg Picht in einer Artikelserie die Gefahr einer Katastrophe im deutschen Bildungswesen: - zu niedrige Bildungsausgaben - durch soziale Selektivität zu wenig Leistungsfähigkeit und Gerechtigkeit Eignung und Anmeldung zum Gymnasium Ende der 1960er Jahre in %:
- Bildungskatastrophe - Demokratisierung, Emanzipation, Chancengleichheit als Ziele einer liberalen, progressiven Bürgerrechtsbewegung - „Sputnik-Schock“: Die Konkurrenz politischer Systeme forciert politischen Zugriff auf technischen Wandel - gestiegener Qualifikationsbedarf (neue Technologien/Dienstleistungen) - ein neuer Rekrutierungsmodus der wirtschaftlichen Eliten → vom familialen zum schulischen Reproduktionsmodus sozialer Ungleichheit(Bourdieu 60er): - der Modus der Reproduktion von Ungleichheiten wechselt von direkter sozialer Vererbung zur Akkumulation von Bildung - Schule erhält die Funktion einer Chancenverteilungsstelle → vordergründige Ablösung ständischer Prinzipien durch Leistungsgerechtigkeit - Bourdieu/Passeron diagnostizieren die Illusion der Chancengleichheit
Dem schulischen Reproduktionsmodus sozialer Ungleichheit korrespondiert die "Illusion der Chancengleichheit": - der Übergang vom familialen zum schulischen Reproduktionsmodus führt keineswegs zur Enteignung der Verfügungsgewalt der Familie über die Karriereverläufe ihrer nachkommenden Generationen - Strategien des Bildungserwerbs sind sozial ungleich erfolgreich - Strategien des Bildungserwerbs korrelieren mit dem kulturellen Kapital in der Herkunftsfamilie - erfolgreiche Bildung bedeutet „Passung“ des kulturellen Kapitals der sozialen Herkunft mit dem, was die Schule als „Leistung“ und Kompetenz fordert
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Sprachanalytische Untersuchungen Basil Bernsteins: Elaborierter Code: „Drei Jungen spielen Fußball und ein Junge schießt den Ball, und er fliegt durch das Fenster, der Ball zertrümmert die Fensterscheibe und die Jungen schauen zu, und ein Mann kommt heraus, und schimpft mit ihnen, weil sie die Scheibe zerbrochen haben, also rennen sie fort und dann schaut diese Dame aus ihrem Fenster und sie schnauzt die Jungen an.“
Restringierter Code: „Sie spielen Fußball und er schießt ihn und er fliegt rein, dort zertrümmert er die Scheibe und sie schauen zu und er kommt raus und schimpft mit ihnen, weil sie sie zerbrochen haben, deshalb rennen sie weg und dann sieht sie raus und sie schnauzt sie an.“ Zwei Modi, eine im Bild dargestellte Szene zu beschreiben
Allgemeine Bestimmung der Codes: Elaborierter Code: - Grammatisch variabel, präzise bezeichnend und beschreibend - variabel; geplantes Sprechen - Kontextunabhängig: Funktional in jedem Interaktionskontext - Expliziter Ausdruck besonderer Absichten und Beziehungsaspekte
Restringierter Code: - Grammatisch wenig komplex, wenige Adjektive; viele Pronomina - syntaktisch vorhersagbar, wenig Varianz - Kontextgebunden: Vorwissen voraussetzend - Bedeutungs-Variation durch Körpersprache, Tonfall, etc.
Erziehungsstile - Annette Lareau: Mittel-/Oberschicht: Concerted Cultivation: - Orientierung an/Sinn für Möglichkeiten - Talente/Meinungen/Fähigkeiten fördern - Außerschulische organisierte Aktivitäten mit Gleichaltrigen - extensives Argumentieren/Aushandeln - Intervention in Institutionen für das Kind - Kinder lernen, für eigene Belange einzutreten → Passung mit schulischem Lerncode
Arbeiter-/Unterschicht: Accomplishment of Natural Growth: - Orientierung an/Sinn für Beschränkungen - Versorgen und Aufwachsen-Lassen - Beziehungen zur (erweiterten) Familie -Elterliche Direktiven ↔ Akzeptanz der Kinder - Abhängigkeit/Ohnmacht/Frustration - Konflikt zw. Familialer und schulischer Erziehungspraxis → Nicht-Passung/Selbst-/Fremdeliminierung Next
Der schulische Reproduktionsmodus sozialer Ungleichheit: Passung (Bourdieu): - der Erfolg der Wissensvermittlung im Bildungswesen hängt von dem Abstand zwischen dem schulischen Curriculum und dem geheimen Curriculum des Herkunftsmilieus ab - dieser Abstand strukturiert, ob schulische Bildung: a) als Re-Edukation, nämlich als Weiterbildung dessen, was ohnehin schon angelegt ist, oder b) als Dekulturation, nämlich als Bruch mit den Erfahrungen und Fähigkeiten der Primärsozialisation und deshalb nur abgeschwächt wirkt
Zwei Mechanismen der Ungleichheitsreproduktion: 1. Fremdeliminierung → Ausschluss durch die Schule, weil Passung nicht gelingt 2. Selbsteliminierung → Selbstausschluss, weil die Strategien unzureichend sind, soziale Scham, freiwilliger Verzicht, keine Aspirationen, „Das ist nichts für uns!“, etc.)
Das "Passungs-Konzept" - die deutsche Diskussion: Kompetenz- und Fähigkeitsunterschiede basieren keinesfalls nur auf personalen (etwa genetischen) Bedingungsfaktoren, sondern maßgeblich auf der Wirkung ungleicher Sozialisationseinflüsse → herausgehobene Bedeutung des Herkunftsmilieus für die Ausbildung der Basiskompetenzen Heranwachsender → der familiale Sozialisationsraum erfüllt eine Mediatorfunktion derjenigen sozialstrukturellen Einflüsse, die durch die soziale Lebenslage der Herkunftsfamilie gekennzeichnet sind
Das Zirkelmodell macht deutlich: - die Penetranz sozialer Ungleichheiten - Mechanismen der Ungleichheits-Reproduktion - Ansatzpunkte zur Herbeiführung einer Nivellierung der Ungleichheiten Das Zirkelmodell macht nicht deutlich: - wie soziale Aufstiege/Abstiege zu erklären sind - dass/wie Abweichungen von schichtspezifischen Erziehungsstilen, lebensleitenden Prinzipien, Schul- und Erwerbsverläufe möglich sind - wie Individualität beschreibbar wäre - wie Gesellschaften sich verändern --> Das Zirkelmodell hält der Empirie nicht stand!
Passives Subjektmodell: Modell geht davon aus, dass ein Subjekt allein die Summe von Prägungen, Einflüssen und Erwartungen ist.
Fazit "Schichtspezifischer Sozialisationsforschung": 1. Enger Zusammenhang zwischen sozialen Ausgangsbedingungen und Schulerfolg 2. Sozialstrukturelle Ungleichheiten haben soziale Konsequenzen für die Lebensführung und die Lebenschancen Heranwachsender 3. Chancenreproduktion erfolgt zirkelförmig
Das "Passungs-Konzept" in der Diskussion um Schulerfolg und Schulversagen (Klaus Hurrelmann): Mediatorfunktion des familialen Sozialisationsraums: „Die spezifischen Lebensbedingungen […] erfordern und stimulieren diejenigen Verhaltensweisen, die auf die jeweilige Subkultur hin orientieren.“ (Hurrelmann 1985: 56)
Schulischer Reproduktionsmodus sozialer Ungleichheit: - Ggf. Schulversagen aufgrund unzureichender „Passung“ zwischen individuellen Lernvoraussetzungen und schulischen Lernanforderungen - das individuelle Fähigkeits- und Kompetenzprofil steht in einem homologen oder disparaten Verhältnis schulischen Leistungserwartungen gegenüber Kritik an der schichtspezifischen Forschung (1970er): 1. Suggestive Eindeutigkeit (max. Kontraste; Kausalität des Zirkels; kein Platz für Abweichungen und sozialen Wandel im Zirkelmodell → Annahme „eindeutiger“ Wirkungsketten (vom Beruf des Vaters bis zu Persönlichkeitsmerkmalen des Kindes)
2. zu wenige Sozialisationsumwelten/Entwicklungseinflüsse einbezogen → Einflüsse der sozialen Schicht, von Subkulturen oder Erziehungsstilen werden durch zusätzliche sozialökologische Parameter gebrochen, bspw. Jugendlicher Bezugsgruppen (peers), der Familien- und Geschwisterkonstellation sowie der Schul-, Nachbarschafts- und Wohnumwelt → die schichtspezifische Sozialisationsforschung hat nach dieser Einschätzung in ihrer Fixiertheit auf zu wenige unabhängige Variablen möglicher Sozialisationseinflüsse nur einen geringen Beitrag zur Varianzaufklärung der Differenziertheit in der Persönlichkeitsentwicklung – als abhängiger Variable – erbracht 3. Strukturfunktionalistischer (anpassungmechanistischer) Ansatz Integration/Vergesellschaftung: Integration von Menschen in ein soziales Gefüge Persönlichkeitsentwicklung/Individuation Entwicklung von Persönlichkeitsmerkmalen, Fähigkeiten und Kompetenzen, um eigenständig und autonom handeln zu können.
Kritisiert wird eine Reduktion... - des Zusammenspiels von Vergesellschaftung und Individuation auf die Funktion der Integration zur Reproduktion der Gesellschaft - von Sozialisationseffekten auf ihre Funktionalität für die Erhaltung einer Gesellschaftsformation (zirkuläre Reproduktion sozialer Ungleichheit)
- von Sozialisation auf die „Zielgerichtetheit“ der Erhaltung sozialer Systeme - z.B. die „funktionalistische Rollentheorie“ (T. Parsons) 4. Kein aktives Subjekt der Sozialisation → Vorstellung einer „einseitigen Gerichtetheit“ der Sozialisationseinflüsse auf die Heranwachsenden → Heranwachsende „nehmen nur auf“ → Setzung eines „passiven Subjekts“ im Sozialisationsprozess → Kritik am sog. Konzept des „oversocialized man“ → „Theoriedefizit“ der schichtenspezifischen Sozialisationsforschung – keine Theorie des Subjekts
Zusätzliche sozialökologische Parameter: Die Ökologische Entwicklungstheorie von Urie Bronfenbrenner: - der amerikanische Sozialpsychologe Urie Bronfenbrenner (1917-2005) gilt als Begründer der ökologischen Entwicklungstheorie - Bronfenbrenner entwickelt ein Modell der schrittweisen Erschließung von Lebensräumen – von den unmittelbaren zu den entfernten Lebensbereichen – durch einen Menschen
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Bronfenbrenners Modell der schrittweisen Erschließung von Lebensräumen füllt Desiderata der schichtspezifischen Forschung: - zuvor fehlenden Variablen/Sozialisationsumwelten sind eingeschlossen - die Interpendenz der Systeme wird sichtbar (keine einseitige Determination) - Umwelten sind nicht allein Medien der Verinnerlichung äußerer Zwänge und Normen, sondern Lebenswelten, die von Menschen gestaltet werden - Individuen erschließen Lebensräume aktiv - von Schichtspezifika abweichende Entwicklungspfade (Auf-/Abstiege) sind vorstellbar
"Integrationstheorem" und "Konformitätstheorem": die sozialökologische Entwicklungstheorie entwirft Sozialisation als einen Prozess, in dem die Sozialisanden... - von Kindheit an aktiv Einfluss auf ihre eigene Sozialisation nehmen - unterschiedliche Rollenmodelle vergleichen können - ihre Sozialisationsumwelten zunehmend beeinflussen - kritische Distanz zu (der gesamten Struktur von) Rollenerwartungen aufbauen - Veränderungen herbeiführen können
„Affirmativen“ Sozialisationsmodellen wird vorgehalten, diese Optionen auszuschließen, da sie allein Integration und Konformität als Ziel und Ergebnis gelingender Sozialisation zulassen. → z.B. die funktionale Rollentheorie
Die kritische Rollentheorie: Der Erfolg eines Sozialisationsprozesses wird bemessen an der Annäherung verinnerlichter Rollenmuster an gesellschaftliche/institutionelle Erwartungen: - Kritik am Gesellschaftsbild: es läuft auf die Annahme einer starren und saktionierenden Gesellschaftsform hinaus → Strukturfunktionalismus - Kritik am Handlungsmodell: Erfolgreiches Rollenhandeln scheint nur bei vollständiger Übereinstimmung von Erwartungen, Situationsdeutungen und Interessen möglich
Voraussetzungen erfolgreichen Rollenhandelns nach der funktionalistischen Rollentheorie: Übereinstimmung von Erwartungen, Situationsdeutungen und Interessen:
Aspekte der Kritik an der funktionalistischen Rollentheorie: - funktionalistische Rollentheorie setzt „Ideale“ Interaktions-Voraussetzungen (Ausnahmefälle) als Norm(al)fall - „Rollenträger“ erscheinen ohne eigenes Bewusstsein und Wirkung auf ihr Umfeld - angenommene Komplementarität zw. Individualbedürfnis und sozialer Notwendigkeit
→ Unterschlagung ungleicher Profite aus Rollenübernahmen → Rollenlernen gilt ein ahistorisches Konzept → Die „kritische Rollentheorie“ (in Deutschland Habermas, Krappmann) fokussiert sowohl die (u.U. Kritische) Auseinandersetzung des Individuums mit Rollenerwartungen, als auch die Historizität der gesellschaftlichen Bedingungen
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Die Weiterentwicklung der Individuationsperspektive (1980er): - Heranwachsende können nicht lediglich als „isolierte Rollenträger“ - ohne eigenes Bewusstsein und Wirkung auf ihr Umfeld – handeln → Die Entwicklung der menschlichen Persönlichkeit erschöpft sich nicht in der Ableitung der Strukturmerkmale/-anforderungen der Gesellschaft in die regelhaften Verhaltensweisen der sozialisierten Akteure
- der Prozess der Persönlichkeitsentwicklung ist untrennbar an die Bedingung aktiver, in ihrer Entwicklung auf Umwelt- und Umfeldbedingungen zurückwirkender Sozialisanden gebunden → gegenüber der „Ableitung“ der heranwachsenden Persönlichkeit aus äußeren Bedingungen stellt daher die „Subjektwerdung“ als ein „spezifisch psychischer Prozess“ (Hurrelmann/Ulich 1980) den neuen Bezugspunkt der Sozialisationsforschung dar - Annahme, dass sich personale bzw. psychische und soziale bzw. Umwelteinflüsse in einem Verhältnis der Interaktion miteinander befinden - „Das Subjekt verhält sich gegenüber der Realität teils aktiv gestaltend, teils ausweichend bzw. selektiv suchend, teils auch nur passiv hinnehmend
Als Folge dieser Tätigkeit verändert sich zunächst die reale Situation des Subjekts, wobei anzunehmen ist, dass die sich real herstellende neue Situation nicht vollständig und genau der antizipierten Situation entspricht. Als Folge der Tätigkeit verändert sich außerdem das Subjekt selber, dies ist seine Sozialisation (Geulen 1981)
- Individualentwicklung bezeichnet aus dieser Perspektive mehr als nur das Erfüllen einer Summe der an die/den Heranwachsende(n) gestellten (Rollen-)Erwartungen - Individuation (vs. Vergesellschaftung) bedeutet die Entwicklung einer autonom handlungsfähigen Persönlichkeit unter Absehung von dem gesellschaftlichen Integrationserfordernis - „Modell des produktiv realitätsverarbeitenden Subjekts“
Zentral für die neuen Theorien der Sozialisation: 1. Die Erneuerung der Forschung seit den 1980er Jahren bindet Sozialisation an die Vorstellung eines in Interaktionen mit der Außenwelt sich „erkennenden und sich selbst reflektierenden Wesens“ (Hurrelmann 1983)
2. Diese „Tradition“ ist nicht nur historisch von den Arbeiten zur Vergesellschaftungsfunktion getrennt, sondern auch disziplinär: Individuation bezeichnet das Erkenntnisinteresse der originär psychologisch orientierten Forschung. 3. Neue Zentralbegriffe sind Persönlichkeit und Interaktion.
Sozialisation ist seit den 1980er Jahren – vor dem Hintergrund des Paradigmas der Person-Umwelt-Interaktion – definiert als (nach Klaus Hurrelmann): „Prozess der Entstehung und Entwicklung der menschlichen Persönlichkeit in wechselseitiger Abhängigkeit von und in Auseinandersetzung mit den historisch vermittelten sozialen und dinglich-materiellen Lebensbedingungen.“
Aktivität des Subjekts als Motor von Entwicklung: „Das Subjekt verhält sich gegenüber der Realität teils aktiv gestaltend, teils ausweichend bzw. selektiv suchend, teils auch nur passiv hinnehmend...
...als Folge dieser Tätigkeit verändert sich zunächst die reale Situation des Subjekts, wobei anzunehmen ist, dass die sich real herstellende neue Situation nicht vollständig und genau der antizipierten Situation entspricht... ...als Folge der Tätigkeit verändert sich außerdem das Subjekt selber, dies ist seine Sozialisation.“ (Geulen 1981)
Anker der theoretischen Neuorientierung - der Klassikeransatz G.H. Meads: - in der Tradition des amerikanischen Pragmatismus - Mitglied der „Chicago School“ (J. Dewey, R.E. Park etc.) - Theorierahmen des symbolischen Interaktionismus
„Unser Behaviorismus ist ein sozialer Behaviorismus.“ „Die Sozialpsychologie untersucht individuelles Handeln oder individuelles Verhalten, wie es sich innerhalb des sozialen Prozesses vollzieht; individuelles Verhalten lässt sich nur im Hinblick auf das Verhalten der gesamten sozialen Gruppe verstehen, der das Individuum angehört.“ (Mead 1969)
Meads Sozial-Behaviorismus: - das Soziale ist eine Quelle des Lernens und der Entwicklung des Selbst - Lernen beruht auf wechselseitigen Reizen und Reaktionen, auf kognitiver Verarbeitung/innerer Organisation von Erfahrungen (Haltungen; z.B. Pünktlichkeit)
Symbolischer Interaktionismus: - wir schreiben Dinge über symbolische Zeichen Bedeutung zu - Sprache vermittelt ein Verständnis der sozialen Welt (z.B. Studium)
Die Bedeutung der Sprache für die Entwicklung des Selbst: „Wesentlich für ein signifikantes Symbol ist ja, dass die Geste, die auf einen anderen wirkt, auch genauso auf das Individuum selbst wirkt. Nur wenn der Reiz, den man an den anderen richtet, bei einem selbst die gleiche oder eine ähnliche Reaktion auslöst, ist das Symbol ein signifikantes Symbol.“ (Mead 1969)
- über symbolische Interaktion erhält die Umwelt Bedeutung - Kinder lernen, welche Reaktionen signifikante Symbole bei anderen auslösen - Kinder lernen, welche Reaktionen signifikante Symbole bei ihnen selbst auslösen - Bedeutung wird erlernt durch Reaktionen und Antworten der Anderen - das Kind entwickelt eine eigene Identität durch die Reaktionen und Antworten der Anderen
Rollenübernahme und Interaktion: - Rollenübernahme als Merkmal der Person-Umwelt-Interaktion -Mead: „Wir müssen andere sein, um wir selbst sein zu können.“ Das kindliche Spiel als Steigerung der Fähigkeit zur Rollenübernahme: → play – Spielen rollenbezogener Haltungen mit signifikanten Anderen → game – Teilnahme am Spiel / Bezug auf generalisierte andere
PLAY/Spielen: - „symbolischer Dialog der Gesten“ innerhalb der Person - Orientierung an signifikanten Anderen
„Die Person handelt in der Phantasie, und indem sie sich durch die Standpunkte anderer, signifikanter Personen ins Bewusstsein ruft, erwägt sie die von ihr selbst geplante Handlungsweise“ (Anselm Strauß 1969) Organisation von Haltungen beim Spielen
GAME: - Erlernen der Bedeutung „organisierter Rollen“ - Routinisierung komplexer Regelübernahmen „In einem Wettspiel mit mehreren Personen muss das Kind, das eine Rolle übernimmt, die Rolle der anderen Kinder übernehmen können. Es muss wissen, was alle Anderen tun werden, um sein eigenes Spiel erfolgreich spielen zu können. Im Wettspiel gibt es also Reaktionen der Anderen, die so organisiert sind, dass die Haltung des einen Spielers die passende Haltung des Anderen auslöst.“
Die Bedeutung der Sprache für die Entwicklung des Selbst: - Interaktionen und damit erzeugte Bedeutungen sind Grundlage für die Identitätsbildung - enge Verbindung zum Labeling Approach oder Etikettierungsansatz - Bedeutungen bedeuten Attributierungen, Attributierungen bedeuten Typisierungen, Typisierungen bedeuten Festlegungen auf eine bestimmte „etikettierte“ Rolle - im Schulalltag lassen sich Etikettierungen als Zuschreibung von bestimmten SchülerInnenrollen beobachten (der Klassenclown, die Fleißige, das Problemkind, etc.)
Kritik des "Theoriedefizits" - fehlende Theorie des Subjekts: - Vorstellung „einseitiger Gerichtetheit“ der Sozialisationseinflüsse auf diese „nur aufnehmende“ Heranwachsende - Setzung eines im Sozialisationsprozess „passiven Subjekts“ (Hurrelmann/Ulich 1980) - Heranwachsende können aber nicht ledigliche als „isolierte Rollenträger“ - ohne eigenes Bewusstsein und Wirkung auf ihr Umfeld – handeln - ...Entwicklung der menschlichen Persönlichkeit erschöpft sich nicht in der Ableitung der Strukturmerkmale /-anforderungen der Gesellschaft in die regelhaften Verhaltensweisen der sozialisierten Akteure
Die Weiterentwicklung der Individuationsperspektive (1980er): - Individualentwicklung bezeichnet aus dieser Perspektive mehr als nur das Erfüllen einer Summe der an die/den Heranwachsende(n) gestellten (Rollen-)Erwartungen - der Prozess der Persönlichkeitsentwicklung ist untrennbar an die Bedingungen aktiver, in ihrer Entwicklung auf Umwelt- und Umfeldbedingungen zurückwirkender Sozialisanden gebunden -...gegenüber der „Ableitung“ der heranwachsenden Persönlichkeit aus äußeren Bedingungen stellt daher die „Subjektwerdung“ als ein „spezifisch psychischer Prozess“ (Hurrelmann/Ulich 1980) den neuen Bezugspunkt der Sozialisationsforschung dar → „Modell des produktiv realitätsverarbeitenden Subjekts“
Neue Theorien der Sozialisation II: Das Modell des produktiv realitätsverarbeitenden Subjekts (1980er-1990er Jahre): Klaus Hurrelmann: 7 Thesen zur Sozialisation
1. Sozialisation vollzieht sich im Wechsespiel von Anlage und Umwelt.
2. Sozialisation ist ein Prozess der Persönlichkeitsentwicklung in wechselseitiger Abhängigkeit von körperlichen und psychischen Grundstrukturen (→ innere Realität) und den sozialen und physikalischen Umweltbedingungen (→ äußere Realität).
3. Sozialisation ist der Prozess der dynamischen und produktiven Verarbeitung der inneren und äußeren Realität.
Die Bedeutung der Persönlichkeit für das neue Verständnis von Sozialisation: 1. Der Entwicklungsstand der Persönlichkeit zu einem jeweiligen Zeitpunkt im Lebensverlauf bezeichnet den ausschlaggebenden Faktor für die Art und Weise, in der Heranwachsende die sie umgebende äußere Realität mit persönlichen Bedürfnissen, Wünschen und Haltungen vermitteln. 2. Bereits ausgebildete Persönlichkeitseigenschaften stellen also immer die Bedingung für den weiteren Verlauf der Sozialisation dar.
Produktive Realitätsverarbeitung beschreibt die Fähigkeit, sich selbst-reflexiv Realität anzueignen „Mit voranschreitender Persönlichkeitsentwicklung im Kindes- und Jugendalter wird die Aneignungs- und Verarbeitungsfähigkeit eines Menschen normalerweise immer weiter gesteigert,sodass es zu einem wachsenden individuellen Verständnis der äußeren Realität, einer komplexen gedanklichen Rekonstruktion situativer Gegebenheiten und einer effektiveren Verarbeitung von Wahrnehmungen und Interpretation kommt.“ (Hurrelmann 1986)
Zentralbegriff der Kompetenzen zur Realitätsverarbeitung 4. Eine gelingende Persönlichkeitsentwicklung setzt eine den individuellen Anlagen angemessene soziale und materielle Umwelt voraus. Die wichtigsten Vermittler hierfür sind Familien, Kindergärten und Schulen als Sozialisationsinstanzen.
5. Außer den Sozialisationsinstanzen beeinflussen auch Arbeit, Freizeit, Unterhaltung und soziale Kontrolle betreffende soziale Organisationen und Systeme die Persönlichkeitsentwicklung.
6. Die Persönlichkeitsentwicklung besteht lebenslang aus einer nach Lebensphasen spezifischen Bewältigung von Entwicklungsaufgaben. 7. Ein reflektiertes Selbstbild und die Entwicklung einer Ich-Identität sind Voraussetzung für ein autonom handlungsfähiges Subjekt und eine gesunde Persönlichkeitsentwicklung. Rollenübernahme als Merkmal der Person-Umwelt-Interaktion
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Leerstellen der Sozialisationsforschung? (2000er Jahre): Konklusion I - Stärken:
- das Modell des produktiv realitätsverarbeitenden Subjekts sowie das Modell der Person-Umwelt-Interaktion stehen stellvertretend für ein Sozialisationsverständnis, das auf die Analyse potenziell offener, dynamischer Sozialisationsverläufe (im Sinne der Individuation) und nicht lediglich auf die statische, zirkuläre Reproduktion der Herkunftsbedingungen abhebt (im Sinne von Vergesellschaftungseffekten) - im Hinblick auf die kompetenztheoretische Grundlegung dieser Methodologie ist festzuhalten, dass erst die Kompetenzstruktur des/der Einzelnen Aufschluss über die Wirkung differenzierter Sozialisationseinflüsse gibt
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