KURZZUSAMMENFASSUNGFranz Kafkas 1915 erschienene Erzählung »Die Verwandlung« zählt zu den wichtigsten Werken des gebürtigen Österreichers. Im Mittelpunkt der Handlung steht die Prager Familie Samsa, bestehend aus Gregor Samsa, dessen Schwester Grete sowie den Eltern. Weitere Personen sind ein Prokurist und mehrere Bedienstete der Familie Samsa. Zeitlich ist das Stück um die Jahrhundertwende (19. / 20. Jahrhundert) angesiedelt, die Handlung erstreckt sich über einen Zeitraum von etwa sechs Monaten.
Erster TeilGregor Samsa arbeitet auf Wunsch seines strengen Vaters als Vertreter und hält mit seinem Einkommen sich, seine Schwester und die Eltern über Wasser. Alle Vier wohnen auch zusammen und so kann es geschehen, dass seine Eltern eines Morgens seltsame Geräusche aus Gregors Zimmer wahrnehmen. Hinter der Tür erwacht der Vertreter gerade aus dem Schlaf und muss feststellen, dass er sich während der Nacht in etwas verwandelt hat, das von Kafka als »Ungeziefer« beschrieben wird. Da sich der verwandelte Gregor nur minimal bewegen kann, muss er nun die meiste Zeit in seinem Bett verbringen, wo er beginnt, über sein bisheriges Leben nachzudenken. Dabei wird ihm schnell die Unzulänglichkeit seiner Existenz bewusst, da er seine Arbeit nur wegen der Schulden seines Vaters ausübt. Als einziger Ernährer der Familie kann er aber nicht kündigen und sein Leben in die eigenen Hände nehmen. Frustriert muss Gregor die zweifache Abhängigkeit (zu seiner Familie und zu seiner Arbeit) zur Kenntnis nehmen.
Zweiter TeilNoch am selben Tag erscheint bei der Familie ein Prokurist von Gregors Arbeitgeber, um sich nach dessen Verbleib zu erkundigen. Der Vater führt den Prokuristen in das Zimmer des Verwandelten. Beim Anblick des Ungeziefern ergreift der umgehend die Flucht, während Gregors Vater – einem Dompteur gleich – versucht, den Sohn wieder in sein Zimmer zurückzutreiben. Als sich die Familie später am Tag mit der Situation auseinandersetzt, wird schnell klar, dass vor allem dem Vater die bevorstehenden finanziellen Sorgen mehr belasten als der Zustand seines Sohnes. Die drei Angehörigen des bisherigen Ernährers beraten darüber, wie die Familie nun finanziell abgesichert werden kann. Der Vater sieht sich dazu außerstande, weil er seit seinem Konkurs vor einigen Jahren nicht mehr gearbeitet hat. Außerdem hat er seitdem erheblich an Gewicht zugelegt und ist in Lethargie verfallen. Auch für die Mutter kommt eine Anstellung nicht infrage. Neben den Aufgaben einer klassischen Hausfrau jener Zeit obliegt ihr auch die Pflege und Versorgung ihres von Selbstmitleid zerfressenen Ehemannes. Wie fast alle Frauen des 19. Jahrhunderts hat auch sie niemals gelernt, eigene Entscheidungen zu treffen. Als ähnlich unfähig zum Broterwerb erweist sich Gregors Schwester Grete. Im Gegensatz zu ihrem Bruder hat sie alle erdenklichen Freiheiten innerhalb der Familie, bekommt nahezu jeden Wunsch erfüllt und lebt vorwiegend in den Tag hinein. Weil Gregor seiner Schwester dieses süße Leben aber gönnte und sie förderte, hatten die Beiden bis zu jenem Morgen ein harmonisches Geschwisterverhältnis. Nun wird Grete damit beauftragt, den verwandelten Bruder zu versorgen. Allerdings wird diese Aufgabe bei ihr schnell zum Kalkül, denn Grete liegt nun weniger an ihrem Bruder als viel mehr an ihrer gesteigerten Bedeutung innerhalb der Familie. Währenddessen wird immer deutlicher, dass es sich bei Gregors Verwandlung wohl um etwas Endgültiges handelt. Seine menschlichen Wesenszüge verblassen immer mehr und auch seine Hoffnung auf eine Änderung der Lage schwindet. Gregor versucht, sich mit der Situation zu arrangieren und kriecht über immer öfter durch sein Zimmer. Weil ihm das vor allem an den Wänden schon recht gut gelingt, wollen Mutter und Schwester das Zimmer völlig leerräumen, um dem Sohn mehr Möglichkeiten zur Fortbewegung zu bieten. Neben den Möbeln soll auch Gregors Lieblingsgemälde entfernt werden. Um dies zu verhindern, krabbelt Gregor auf das Bild, um es zu schützen, was allerdings von der Mutter als Attacke auf sie fehlinterpretiert wird. Gregors Mutter fällt vor Schreck in Ohnmacht. Als die herbeieilende Schwester nach einer Medizin für die Mutter greift, fällt versehentlich ein Fläschchen vom Regal, trifft Gregor im Gesicht und verletzt ihn. Weitere Wunden erleidet Gregor, als der Vater später am Tag von dem Vorfall erfährt und mit alten Äpfeln nach seinem Sohn wirft.
Dritter TeilWeil Gregors Verletzungen unbehandelt bleiben, verschlechtert sich sein allgemeiner Zustand Zusehens. Auch Grete, die ihren Bruder eigentlich mit Küchenabfällen versorgen sollte, vernachlässigt ihre Pflichten gegenüber ihrem Bruder immer öfter und in dem eigentlich freigeräumten Zimmer sammelt sich nun der Unrat. Zu allem Übel ist auch Gregors »Auslauf« innerhalb der Wohnung stark eingeschränkt, weil die Familie als Einnahmequelle mehrere Zimmer vermietet hat. Die Familie hat sich insgesamt also arrangiert, die Aufgaben neu verteilt und geht mehr und mehr wieder zum Alltag über. Als die Tür zu Gregors Zimmer eines Abends versehentlich nicht verschlossen ist, schleppt sich das vermeintliche »Ungeziefer« durch die Wohnung und wird prompt von den Untermietern entdeckt, die ihn natürlich für echtes Ungeziefer halten und daraufhin sofort ausziehen. Dadurch reift bei den Eltern und bei Grete der Entschluss, sich des verwandelten Gregors zu entledigen. Schon lange waren alle wegen des fehlenden Einkommens, der Versorgung und der Geheimnistuerei frustriert, aber nun ist Gregor endgültig nur noch ein Störenfried in den Augen seiner Angehörigen. Aber noch bevor die Familie Gelegenheit zum Handeln hat, wird Gregor von seinem letzten Lebenswillen verlassen und stirbt in der nächsten Nacht. Mit der lieblosen Entsorgung seiner Überreste sind alle Spuren von Gregors Existenz vernichtet, was den Hinterbliebenen nicht wirklich ungelegen kommt. Bei einem gemeinsamen Picknick beschließt Gregors Familie, das Erlebte hinter sich zu lassen und hoffnungsvoll in die Zukunft zu schauen, womit insbesondere die Zukunft Gretes gemeint ist. Eine neue Wohnung und vor allem ein Ehemann für Grete sind nun die Ziele der Familie; über den verlorenen Sohn wird nie wieder ein Wort gesprochen.
InterpretationFür die Literaturwelt trägt »Die Verwandlung« eindeutig autobiografische Züge Kafkas. Der Schriftsteller hielt sich selbst oft für unzulänglich und wurde von Zweifeln hinsichtlich seiner Rolle als Vater und Ehemann geplagt, die zeitweise bis zum Verlust der eigenen Identität reichten. In »Die Verwandlung« zeigt Kafka auf, wie das wohlgeordnete Gleichgewicht innerhalb der Familie durch ein plötzliches, unbeherrschbares und noch dazu völlig sinnloses Ereignis in Schieflage gerät. Kernpunkt ist dabei die Frage nach der Machbarkeit von etwas eigentlich Unmöglichem. Dabei nutzt Kafka geschickt die Kontraste zwischen verschiedenen Handlungen und der Kommunikation. So werden die Gedanken Gregors als Käfer durch innere Monologe dargelegt, die restliche Familie aber versucht nicht, mittels Gesprächen weitere Lösungen zu finden und umgeht dadurch das offensichtlich normale Handeln. Unterstrichen wird das durch die betonte Absurdität der Geschehnisse. Die eher oberflächlichen Unterhaltungen im Hause Samsa stehen im krassen Widerspruch zu den Ereignissen, mit denen sich Gregor konfrontiert sieht. Auf den Leser wirkt die Erzählung oftmals irritierend, denn er sieht sich gleich mehreren moralischen Wechselwirkungen ausgesetzt. Dazu zählt insbesondere der Gegensatz zwischen einem Käfer (= Ungeziefer) und der Gedankenwelt Gregors (= fühlendes Individuum mit menschlichen Werten). Auch die anfängliche Verleugnung der Geschehnisse durch Gregor selbst ist ein literarischer Kniff des Autors, der die Spannung des Stücks durch das Weglassen von Tatsachen vorantreibt.
DIE VERWANDLUNG - FRANZ KAFKA
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