Created by Miriam Brunner
almost 7 years ago
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Question | Answer |
Was bedeutet der Begriff Kulturpsychologie? | = umbrella term für Spektrum von Forschungsansätzen, die sich vom aktuellen Hauptstrom der Psychologie in forschunglsogischen & methodologischen Punkten unterscheiden |
Jede Kultur tickt anders... | - Sitten, Gebräuche, Geschichten, narrative Strukturen, Werte: erstrebens- und verachtenswert, Bestattung, Nahrung, Tabus, Erziehung, Kindheit - VÄ auch in der eigenen Kultur - 30/40 Jahre jünger => anderer Menschentypus - starke Variation der psychischen Funktionen - zentrales Interesse der Kulturpsychologie = kulturell, historisch bedingte US |
Was ist die starke Variation der psychischen Funktionen? | = prinzipielles Problem für eine nomothetische, nach universellen Gesetzen strebende Wissenschaft (Gesetze unterliegen keiner Entwicklung) |
Was waren Wundts wissenschaftlicher Anteil an der Völkerpsychologie? | - Monumentalwerk mit 10 Bänden zur VP (1900) - VP Abteilung am Institut kurz vor Abtritt (1903) => Impulse nicht besonders wirksam - "höhere psychische Funktionen" - Materialcorpus |
Was sind "höhere psychische Funktionen"? | = Vorstellungen, Mythen, Moral, Rituale,... alles was sprachlich & symbolisch vermittelt ist, alles sinnhafte - Untersuchung mit nawi-experiment. Mitteln nicht möglich |
Was ist der Materialcorpus? | = weltgeschichtlicher Tableau um die Systematik der Entwicklungsgeschichte des Seelischen (den Weg zu unserer heutigen Bewusstseinsstruktur) zu rekonstruieren (Landwirtschaft, Domestikation von Tieren, Techniken und Wirtschaftsform, ... - überschätzt Zielgerichtetheit |
Wie entwickelte sich der Volksgeist über verschiedene Kulturstufen? | - primitive Kultur - Sippen- und Stammeskultur - nationale Kultur (zielgerichtet auf europäische, dt- Menschentypus = Eurozentrismus) heute: Teleologie => keine Zielgerichtetheit, sondern Selbstläufer |
Was war die patriotische Hintergrundstimmung der 70er und 80er? | - heutige Auffassung = deutschtümelnd verstanden - Spätwerk wurde nicht weit rezipiert (Jüttemann versucht gegenwärtig die Wiederbelebung) |
Allgemeine experimentelle Individualpsychologie vs. Völkerpsychologie - AEI | - unmittelbare Sinneserfahrung des subjektiven Bewusstseins - einzelnes isoliertes Individuum; individuo-zentrisch - nicht in eine sinnhaft verfasste Welt eingebettet; blanke Erfahrung - Kritik: Entkleidung des Individuums; einzelne Befunde = Durchschnittswerte |
AEI vs VP - VP | - psychische/seelische Vorgänge, die an das Zusammenleben der Menschen gebunden sind - kollektiv-seelisch; Volksgeist, Volksseele - höhere seelische Vorgänge und Prozesse (=Erscheinungen des geistigen Zusammenlebens) - Experiment nicht brauchbar für höhere Funktionen |
Wer war Alexandr Luria? | - russ. Psychologie im 20. Jhdt. - "die historische Bedingtheit individueller Erkenntnisprozesse" - begegnet Vigotskij - Berufs- und Publikationsverbot für russ. kh. Schule => muss Dozentenstelle aufgeben - Medizinstudium - Sanitätsoffizier - Reha von Hirnverletzungen - Tod Stalins: Luria kann publizieren, jedoch nur np; nicht kp |
Was war der historische Hintergrund zur Zeit Lurias? | - Chaos im akade. System nach Oktoberrevolution 1917 => selbstgesteuertes Bildungsprogramm - Amerika (McCathy-Ära) => starke Vorbehalte gegenüber allem, was aus Sowjetunion kam; v.a. nicht-individ. und materalistische Psychologie |
Wann erschien "die historischen Bedingtheit individueller Erkenntnisprozesse" und von was handelt es? | - Publikation 1977 - individ. Erkennen von Kräften & Umständen mitbedingt, die außerhalb des Indiv. liegen = von zeitlichen, historischen Umständen bedingt (indiv. Erkennen wirkt zuerst individuell) |
Wie war die Situation vor der russischen Revolution? | - Naturalwirtschaft, Analphabeten, Einfluss Islam, Frauen eingeschränkt, Klassenherrschaft |
Was änderte sich durch die sozialistische Revolution (Beseitigung der Klassenherrschaft)? | - Unterdrückte - freie Existenz - genossenschaftliche/ zwangskollektivierte Landwirtschaft - aufkommende Industrie => neue Formen der gesellschaftlichen Tätigkeit (kollektive Arbeitsplanerörterung, Verteilung der Wirtschaftsfunktionen = Spezialisierung) - Schulen: Lesen, Schreiben, Zahlen => neue Kulturelemente v.a. Medium der Schrift! - Abstraktion, zeitliche Verbindlichkeit - Interdependenzketten größerer Gruppen => Koordination, Planung - weg vom praktischen Denken hin zur Theorie der Arbeit (Umstrukturierung des Bewusstseins) |
Welche Vergleichssituation gab es nun in den Feldstudien von Luria in Usbekistan? | - keine Schulbildung - Analphabeten, Naturalwirtschaft, ... - wenig Schulbildung - Kolchosen (große landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft) - ausführliche Schb. - Fachschulen,... |
Was war die Bedingung bei der Forschung keiner Schulbildung? | - Anpassung an Gegebenheiten der Dörfer (Experiment funkt n.) - sensible Feldforschung, guter Kontakt, verschachtelte Aufgaben, zwanglose Settings (Gruppengespräche) - Aufgaben im Denkbereich: Schlussfolgern & Klassifikation anschaulicher Gegenstände => Lösung aufgrund praktischer Erfahrung oder abstraktem Wissen (anschauliches vs. logisches Lösen) |
Was ist die Zone der proximalen Entwicklung? | - proximal = näher zur Körpermitte - um das fixierte Können herum ist eine Zone höherer Aufgabenschwierigkeit => keine Möglichkeit zur Bewältigung ohne (kleine) Hilfestellung (=Mutter, Forscher, ...) |
Was ist nun der Kerngedanke bzw. das Fazit aus Lurias Feldstudien? | - Entfaltung von Denken, Fühlen, VH & Erleben unter jeweils spezifischen historischen, sozial praktischen Kontexten und Bedingungen - Grundproblem bei nawi/ ahistorischer Psychologie |
Was ist das Grundproblem naturwissenschaftlicher/ ahistorischer Psychologie? | - Isolation aus Historischem & Praktischem ZSH: Phänomen verflacht/verfehlt - auch elementare psychische Funktionen (Klassifikation von Gegenständen) folgt keinen universellen Gesetzen => großer US zum Hauptstrom der Psychologie: verfolgen keinen universellen Ansatz |
Lurias´ Fortschrittsoptimismus | - Übergang vom situativen zum abstrakten Denken = Fortschritt (psychische Kosten?) - "Fortschritt" = Beschreibung des Sieges durch Sieger - heute: Dokumentation der unterschiedl. Formen von Denken, ... ohne davon auszugehen, dass es Fortschritt/ bestimmtes Ziel gibt - kein besser Urteil => Gefahr der Abwertung anderer Kulturen als primitiver als eigene (Bewertungsreflex) |
Selbstreflexion Reneé Descartes | - zunächst Schockiertheit über Eigenartigkeit fremder Bräuche - dann: Weisheit liegt jenseits dieses Staunens über die Merkwürdigkeit => Staunen über eigenen Gewohnheiten = über Tellerrand der kulturellen Suppe blicken, in der wir schwimmen |
Wer war Richard Nisbett? | - University of Michigan - Vertreter der Mainstream Psychologie - Forschungsaufenthalt an Uni Peking & asiatische Kollegen (China, Korea, Japan) - Konvertierung zum Kulturpsychologen - Psychological Review 2001: Zusammentragung von Studien, inwiefern versch. Kulturen sich kognitiv bzgl. Informationsverarbeitung unterscheiden |
Was ist die Mainstream Psychologie? | Annahme, dass bei allen Erwachsenen die kognitiven Basisprozesse gleich ablaufen = Kategorisieren, Lernen, induktives/ deduktives Schließen, Verständnis von Kausalität, ... |
Was untersuchten Masuda & Nisbett mit ihrem Aquariumexperiment? | - Japaner vs. Amerikaner: was sehen sie? - A: zentrales Objekt, Hauptdarsteller - J: Antwort mit Referenz zum Kontext - Wiedererkennungsaufgaben auf verändertem/ keinem Hintergrund => A: keine VÄ; J: schlechte Wiedererkennung - Schluss: jap. Wahrnehmung = Feldwahrnehmung: Verbindung von Objekt und Hintergrund |
Was untersuchten Theodora Abel und Francis Hsu 1949? | - Schweizer H. Rohrschach: Rohrschach-Tafeln/ Formdeuteverfahren/ Tintenklecksverfahren = projektives Testverfahren - geb Chinesen: mehr Ganzantworten - Chinesen geb A: mehr Ganzantworten = holistisch - geb A: eher Teilantworten = analytisch |
Welche Unterschiede gibts im Denk- und Wahrnehmungsstil? | holistisch & analytisch |
Was ist der holistische Stil? | - Aufmerksamkeit liegt am Feld als Ganzes - Bez zw. Objekten und Feld - Erklärung & Vorhersage erfolgt anhand Erfahrung und Beziehungen - assoziativ, dialektisch, kreisend, andeutend, pragmatisch = sachbezogen, weniger abstrakt - an Ähnlichkeit/ Erfahrung und nicht an formalen Regeln orientiert - Inderdependentes Selbstverständnis, kollektivistische Orientierung |
Was ist der analytische Stil? | - Aufmerksamkeit auf isolierten, aus Kontext gelösten Objekten - spezif. Attribute => abstrakte Kategorien - Erklärung & Vorhersage anhand formaler Regeln - abstrakt, symbolisch, logisch - an logischen Regeln orientiert & n. an konkreter Erfahrung - unabhängiges Selbstverständnis, individualistische Orientierung |
Wie sehen sich außereuropäische/ -amerikanische Menschen? | - sehen sich selbst als Teil des Feldes/ Systems - kollektivistisch orientiert, interdependentes Selbstverständnis - Aufeinander-Bezogenheit; in-group (Familie); soziale Gesamtsituation berücksichtigen - in andere hineinversetzen |
Wie sehen sich euroamerikanische Menschen? | - v. ökolog. Umwelt unabhängiges Selbst - individualistisch, eigen Motive - egal, was andere denken; nichts berücksichtigen, was nicht explizit ausgedrückt wurde - schlechter/ nicht ständig in andere hineinversetzen |
Woher kommen diese Unterschiede? - Nisbett & kh Schule | - Formen der Praxis => individualistische Kulturen; Ökonomien - Jagd, Fischfang, Handel (Einzelpersonen/ Kleingruppen) - Rückführung der US Denkstile => kh Schule: aktuelle sozio-ökon. Praxis; Nisbett: Formationszeit der Kulturen (Griechenland und China) |
Wie waren die frühen Griechen? | - individualistische Ökonomie; Fischerei, Jagd, kleine Viehzucht - selbst verantwortlich, geringe soziale Komplexität, individuelle Freiheit - dezentrale Kleinstädte - freier Ortswechsel, keine starke zentrale politische Autorität - individualistisch |
Wie waren die frühen Chinesen? | - Reisanbau (Bewässerungssystem, ...) - hoch organisiert, Koordination großer Menschengruppen, Harmonie wichtiger als pers. Verantwortung, komplexes starkes soziales Netz - Zentralmacht (Kaiser), Festgebundenheit am Ursprungsort - holistisch/kollektivistisch |
Was ist die Kritik an Nisbetts Ansatz zur Formationszeit? | - Überschätzung der Direktheit des Zsh Ökologie & Mentalität - kausale Kette ist komplexer - zu undifferenzierte Dichotomie: Griechen (=alle westl.?) und Chinesen - langfristige Kontinuitätszsh zw. Mentalität der alten Griechen und heute nicht belegbar |
Zur Transmission kultureller Muster | - amerikan. Mutter: benennt Objekte, Hinweise auf Primäreigenschaften; Sprache: Hauptworte wichtig - jap. Mutter: soziale Praxis; Sprache: Verben wichtig |
Was ist die Theorie des linguistischen Relativismus / Sapir-Whorf-Hypothese (Mitte 20. Jhdt.) ? | - untersch. Sprachen - untersch. Weltanschauung - determiniert durch untersch. Sprachstrukturen - dt: Subjekt - Prädikat - Objekt => verlangt nach aktiv Handelndem und Erleidenden; verlangt zeitl Festlegung - jap: keine zeitl. Festlegung, aber Status der handelnden Person wichtig - Jerome Bruner: Sprache/ Kultur erwirbt uns |
Was besagt die Medientheorie? | - Sprache = wichtigstes Medium des Menschen - Erweiterung vor ca. 2500 Jahren durch die Schrift |
Was besagt Marshall McLuhans Understanding Media (1964)? | - Botschaft wird n. im Medium transportiert, steckt n. in seinen Inhalten => geht vom Medium selbst aus - geht n. darum WAS wir empfangen, sondern DASS wir empfangen - formieren uns, jenseits unserer Bewusstheit |
Was ist die Botschaft des Mediums? | - Veränderung des Maßstabs, Tempos, Schemas, die es der Situation des Menschen bringt |
Was ist die Botschaft der Schrift? | - Veränderung der räuml.-zeitl. Relevanzstrukturen - präzise Bezugnahme auf andere & Kontrolle des eigenen Denkens und Argumentierens => wiederholbar & überprüfbar - Selbst-Begegnung/Kontrolle und Reflexion (Tagebücher) - Betonung des Visu, Trennung des Sinns von den Sinnen (akustisch -> visuell) - Traditi (mündl & schriftl Überlieferung) |
Was macht die Schrift aus? | - Fernintelligenz, visuell - beobachten - agieren ohne reagieren (eingeschr. Mögl.); objekt. Abstand von Gefühlen - pro: Gefühle unterdrücken, handeln oh. Mitbeteiligung (eher ironisch v. McLuahn) - contra: Untergang empathischer Qualitäten |
Was macht die Sprache aus? | - Nah-/Situationsintelligenz, akustisch - Teilhaben - Handeln und reagieren gleichzeitig; in Situationen eingebettet; Tonfall, rhetorisch, inhaltlich - pro: Empathie und Mitbeteiligt-Sein |
Welche Schriftsysteme gibt es? | - ideographisch: Zeichen repräsentieren Vorstellungen - phonographisch: Zeichen repräsentieren Sprachlaute => Silbenschriften, Alphabete (Konsonantenalphabete, Vokalalphabete) |
Was sind Merkmale von ideographischen Schriftsystemen? | - Bedeutungseinheiten (Morpheme), z.B. Piktogramme (Bildzeichen), Ideogramme (Symbole) - unabhängig vom Sprachstrom; werden von mehreren verstanden (Bsp. arabisches Zahlensystem) - direktere Verbindung von Zeichen und Erfahrung; wichtigste = chinesisch (allweltliche Assoziationsform) - untersch. Dialekte - eine Kommunikationsplattform |
Was sind Merkmale phonographischer Schriftsysteme? | - Transkription des sprachl. Lautstroms (Phoneme) durch abstrakte Zeichen (rein phonemischer Wert) - konkrete, aussprechbare Laute (Silbenschrift) Segmente von Sprachlauten (Phoneme) - Konsonanten der Alphabete - Schriftzeichen = visuelle Repräsentation von akustischer Repräsentation = Repräsentation (hoch 2) |
Wer war Derrick de Kerckhove und was untersuchte er? | - Leiter des McLuhan Centers in Toronto: "Leistungsprofil" griech. Vokalalphabets |
Was für eine Sprache hatten die Griechen nach Übernahme des Konsonantenalphabets von Phöniziern? | - Vokale fehlen = felxional - starke Rolle der auditor Komponente (Aussprache) & Kontext (nur Insider verstehen; Prophet Daniel, Priester) - Einführen von Vokalen => Kontextwissen irrelevant, da volle Repräs des Lautstroms (Vokale = lexikalisch) |
Wie entwickelte sich das Vokalalphabet? | - Software des Abendlandes: kann Ebene d. Repräs verfallen & Wahrheit erkennen - läuft parallel zur Sprache (kennt sie, braucht sie aber nicht) - Lesen & Schreiben sind private Erfahrungen, Einzellesen, Autodidakten (Text = Lehrer, keine Interpretationsvorgaben) - Solipsismus -> individu. Mentalität |
Was ist der heimliche Lehrplan des Vokalalphabets? | - Abwendung von primären, multisensor Erfahrung = Ent-Sinnlichung des Geschriebenen - Unterdrückung der n.vis. Qualität von Kommunikation - Verlust n.-verschriftl. Sprachanteile (Intonation, Gestik, Rhythmik) - konzeptioneller statt ästhetischer Sinn - Sinn wird selbst referentiell (brauche keine anderen Leute oder Sinne) - Austausch von Sinnen für Sinn => Wahrnehmung gegen Konzept - Beobachterdistanz statt Situationsbezogenheit |
MERK | - individualistische Mentalität - alphabetic mind - alphabetic mind - Dekontextualisierung <- Leistungsprofil -> pictorial mind (chines.) |
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