Faust. Der Tragödie zweiter Teil, Fünfter Akt

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Johann Wolfgang von Goethe: Faust. Der Tragödie zw eiter Teil, Fünfter Akt
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Einführung

Faust. Der Tragödie zweiter Teil, 5. AktDas Drama besteht aus fünf Akten, die in sich abgeschlossene Inhalte haben.

Erst der Bezug auf die Gesamtheit der Teile I und II stellt den Sinnzusammenhang der Tragödie her. Im Unterschied zum ersten Teil steht nicht mehr das Seelen- und Gefühlsleben des einzelnen Menschen im Mittelpunkt, sondern die Person Faust entwickelt sich stetig weiter, wird zum sozial und geschichtlich handelnden Unternehmer, scheitert auch in dieser Rolle und vollendet sich in der politischen Vision einer freiheitlichen Weltordnung.Faust widmet sich im zweiten Teil aktiv verschiedenen Tätigkeiten und entspricht damit einem Ideal der Klassik: Der Mensch soll alle seine Fähigkeiten ausbilden. Als Künstler schafft er im ersten Akt ein Schauspiel, scheitert aber daran, es in die Wirklichkeit zu übertragen. Im dritten Akt begibt sich Faust auf eine Zeitreise durch die Epochen. Dabei wird der nordisch-romantische Künstler Faust mit der griechisch-klassischen Helena, dem Sinnbild der Schönheit in der Antike, verheiratet. Das Produkt dieser Synthese, ihr gemeinsamer Sohn Euphorion, der, kaum geboren, blitzschnell zum leidenschaftlichen jungen Mann heranwächst, steht für den Geist der Poesie. Mit ihm veranschaulicht Goethe, wie es zur Deutschen Klassik kam: durch Rückbesinnung der deutschen Kunst auf die Antike. Der frühe Tod Euphorions (eine Anspielung auf den von Goethe verehrten Zeitgenossen und Dichterkollegen Lord Byron) lässt Faust zu der Erkenntnis kommen, dass die Poesie, das Kind der Schönheit und der Kraft, die Welt nicht dauerhaft verändern, sondern nur flüchtige Eindrücke erschaffen kann.Drei Hauptthemen sind im Faust II zu unterscheiden: Faust und Kaiser: der 1. und 4. Akt. Kultur, Macht, Schuld. Faust und Helena: der 2. und 3. Akt. Natur, Sehnsucht, Trieb. Fausts Tod und Gnade: der 5. Akt. Sinn, Vergebung.

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Offene Gegend: Philemon und Baucis

Ein durch eine offene Gegend ziehender Wanderer erkennt eine kleine, von Linden umstandene Hütte, deren freundliche Bewohner ihn vor langer Zeit aufnahmen, als er, in Seenot geraten, Hilfe benötigte.

Früher lag die Hütte der beiden Alten am Meer, heute ist das Meer nur noch in der Ferne an den Segeln der Schiffe zu erahnen.Der Wanderer tritt ein und erkennt Baucis wieder, die, mittlerweile uralt, ihn seinerzeit freundlich aufnahm und pflegte. Auch ihr Gatte Philemon lebt noch. Er erzählt von den seltsamen Vorgängen, die sich seit dem ersten Besuch des Wanderers hier an diesem Ort zugetragen haben. In der Schilderung des Philemon und der anschließenden Wechselrede der beiden Alten erfährt der Wanderer (und mit ihm der Leser), dass der neue Herr des Landes – Faust, der aber ungenannt bleibt – vom Kaiser als Lohn für den Kampf gegen den Gegenkaiser mit dem Strand belohnt worden ist. Kaum im Besitz dieses Landes, ging man daran, dem Meer Land abzutrotzen.Während die Arbeit tagsüber kaum vorankam, sah man des Nachts Flammen umherirren, wo am anderen Morgen bereits ein Damm stand. Die Erschaffung neuen Landes war offensichtlich nur mit Hilfe von technischen Neuerungen möglich, die für die Alten wie Zauberei wirkten. Die Hütte ist das letzte Gebäude aus alter Zeit, und selbst dieses möchte der neue Herr des Landes für sich haben, weshalb er die beiden Alten unter Druck setzt. Mit der Aufforderung Philemons, sich in die nahe Kapelle zum Gebet an den Gott der alten Zeit zurückzuziehen, endet die Szene.

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Palast

Weiter Ziergarten, großer gradgeführter Kanal. Faust im höchsten Alter, wandelnd, nachdenkend.

Lynkeus der Türmer beschreibt das neue, dem Meer entrissene Land als Idylle. Doch der Klang des Glöckchens in der Kapelle von Philemon und Baucis lässt Faust auffahren. Für ihn ist sein dem Meer entrissenes Land keine Idylle, solange die beiden Alten in ihrem kleinen Häuschen mit den alten Linden auf der Düne leben. Über dieses kleine Fleckchen Erde hat er kein Recht. Es ist seinem Zugriff entzogen. Dieser kleine Makel nagt an ihm so sehr, dass er sich seines neuen Landes nicht erfreuen kann. Nicht einmal die schönen Worte des Türmers mindern Fausts Verdruss, als Mephisto mit den „drei gewaltigen Gesellen“ – „Krieg, Handel und Piraterie, Dreieinig sind sie, nicht zu trennen“ (11187–11188) – auf einem voll beladenen prächtigen Kahn in den künstlichen Kanal einläuft. Mephisto erzählt von der erfolgreichen Fahrt, die aber weniger eine friedliche Handelsunternehmung als vielmehr eine mit kalter Rücksichtslosigkeit durchgeführte Kaperfahrt war. Enttäuscht von der unfreundlichen Begrüßung durch ihren Herrn schaffen die Drei die reiche Beute beiseite und lassen sich von Mephisto beschwichtigen, der ihnen ein großes Flottenfest in Aussicht stellt. Mephisto tadelt Fausts Ärger über Philemon und Baucis angesichts des bisher Erreichten. Schließlich verlangt Faust von Mephisto die Umsiedlung der beiden: „So geht und schafft sie mir zur Seite!“ (11275). Auf ihrem Grundstück möchte er sich zwischen den alten Linden einen „Luginsland“ errichten lassen, um von dort aus seinen „Welt-Besitz“ zu genießen: „Dort wollt ich, weit umher zu schauen, Von Ast zu Ast Gerüste bauen, Dem Blick eröffnen weite Bahn, Zu sehn was alles ich getan“ (11243–11246).

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Tiefe Nacht

Lynkeus singt auf seinem Turm sein Lied „Zum Sehen geboren, / Zum Schauen bestellt“. Er preist darin die Schönheit der Natur und die Vollkommenheit der Schöpfung und all das, was er je sah.

Nicht ganz ohne Selbstgefälligkeit rühmt er nicht nur seine besondere Fähigkeit, alles zu sehen, sondern auch sich selbst: „So seh ich in allen Die ewige Zier, Und wie mir's gefallen, Gefall ich auch mir“ (11296–11299).Er unterbricht sein Lied, denn er erkennt in der Dunkelheit Funkenflug und Feuer. Das Häuschen von Philemon und Baucis steht in Flammen. Eindringlich beschreibt Lynkeus, wie die alten Linden, das Häuschen, die Kapelle und schließlich die Alten selbst ein Raub der Flammen werden: „Das Kapellchen bricht zusammen Von der Äste Sturz und Last. Schlängelnd sind, mit spitzen Flammen, Schon die Gipfel angefaßt“ (11330–11333). Hatte er sich noch eben seines großen Könnens stolz gerühmt, so bedauert er nun angesichts des schlimmen Unglücks so „weitsichtig“ zu sein.Faust hört das Jammern des Türmers, tritt auf den Balkon hinaus und entdeckt ebenfalls das brennende Grundstück von Philemon und Baucis. Er bedauert den Brand nur insofern, als auch die Linden in Mitleidenschaft gezogen wurden, die ihm ja für seinen geplanten Aussichtsposten dienen sollten. Vom Balkon aus erkennt er auch das neue Haus, das er Philemon und Baucis großmütig als Ersatz zugedacht hat und in dem er die beiden, von seiner Großmut erfüllt, ihre Tage glücklich beschließen glaubt. Von Mephisto erfährt er allerdings eine andere Geschichte. Er und „die drei Gewaltigen“ Raufebold, Habebald und Haltefest drangen gewaltsam in das Haus der Alten ein und drohten ihnen. Da sie ihr kleines Häuschen nicht aufgeben wollten, wurden die beiden mit Gewalt „weggeräumt“. Der Schreck tötete sie. Der ebenfalls anwesende Wanderer, dem man in der SzeneOffene Gegend begegnete, wehrte sich, konnte aber der Gewalt nichts entgegensetzen und fiel. Im Getümmel fing das Haus Feuer: „Von Kohlen, ringsumher gestreut, Enflammte Stroh. Nun lodert's frei, Als Scheiterhaufen dieser drei.“ (11367–11369) Wütend fährt Faust Mephisto und seine Gesellen an: „Wart ihr für meine Worte taub! Tausch wollt ich, wollte keinen Raub.“ (11370–11371) Er schiebt die Verantwortung für den Tod der drei auf Mephisto und die drei Gewaltigen. Allerdings hatte Faust in seinem Befehl zur Umsiedlung von Philemon und Baucis nicht von „Tausch“ gesprochen. „So geht und schafft sie mir zur Seite!“ waren seine Worte. „Rauch und Dunst“ steigen von den noch schwelenden Resten des Brandes auf und schweben hinan zu Faust.

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Mitternacht

„Vier graue Weiber“ treten auf. Hier wird die Handlung von außen nach innen verlagert, und Faust soll sich von der Magie lösen.

„Nimm dich in Acht und sprich kein Zauberwort“. Die Begegnung mit den alten Weibern Mangel, Not und Schuld beeindruckt Faust nicht, sein Bund mit Mephisto garantiert ihm Wohlstand und Gesundheit. Nur die Sorge kann ihn erreichen, lässt ihn erblinden und reduziert ihn auf seine Innenwelt.

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Großer Vorhof des Palasts:

Mittlerweile hundert Jahre alt und blind, hält Faust die lärmenden Lemuren, die ihm das Grab schaufeln, für seine Arbeiter, die einen Deich errichten sollen, mit dem er dem Meer Land für Besitzlose abgewinnen will.

„Eröffn’ ich Räume vielen Millionen, Nicht sicher zwar, doch tätig frei zu wohnen. (11563–11564) […] Solch ein Gewimmel möcht’ ich sehn, Auf freiem Grund mit freiem Volke stehn.“ (11579–11580) Im Streben nach dem „höchsten Dasein“ hat Faust seinen Egoismus überwunden. Er will nun seine Fähigkeiten für das Wohl der Bedürftigen einsetzen, von denen viele Millionen existieren. Mit dieser späten Sinnfindung kann Faust sich endlich akzeptieren und sicher sein, durch eine solche Großtat der Nachwelt im Gedächtnis zu bleiben. Glücklich bekennt er: „Zum Augenblicke dürft’ ich sagen: Verweile doch, du bist so schön! Es kann die Spur von meinen Erdentagen Nicht in Äonen untergehn. – Im Vorgefühl von solchem hohen Glück Genieß’ ich jetzt den höchsten Augenblick“ (11581–11586).Mit dem Ausspruch der alten Schwurformel „Zum Augenblicke dürft’ ich sagen: Verweile doch, du bist so schön!“ verliert er die Wette nicht, da der Konjunktiv „dürft’“ andeutet, dass Faust dies gerne sagen würde, es jedoch nicht tut. Seinem Tod aber entgeht er nicht.

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Grablegung

Die Grablegung hat Goethe als Posse gestaltet.

Mephistopheles kommt vor dem toten Faust auf den blutunterzeichneten Vertrag zu sprechen und befürchtet, leer auszugehen, auf den fehlenden Höllenglauben der Protestanten anspielend („Auf altem Wege stößt man an, / Auf neuem sind wir nicht empfohlen“). Der Chor der Himmlischen Heerscharen fordert, Sündern zu vergeben. Der Teufel geht beunruhigt näher an das Grab heran, um Fausts Seele nicht entwischen zu lassen. Der Chor der Engel tritt auf und streut Rosen, die auf magische Weise Liebesgelüste bei Mephistopheles auslösen. Seine Gehilfen, die Lemuren, „stürzen ärschlings in die Hölle“ (11738). Mephistopheles ist nun mit den Engeln allein. „Sie wenden sich. – Von hinten anzusehen! – Die Racker sind doch gar zu appetitlich“ (11799–11800).Als Mephistopheles wieder zur Besinnung gekommen ist, haben die Engel Fausts Seele mit sich genommen, und er klagt: „Die hohe Seele, die sich mir verpfändet, Die haben sie mir pfiffig weggepascht“ (11830–11831).

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Bergschluchten

Wald, Fels, Einöde. Heilige Anachoreten gebirgauf verteilt, gelagert zwischen Klüften.Die in den Bergschluchten verteilten Anachoreten (klösterliche Einsiedler) reflektieren über die Liebe und das Leben.

Ihre Äußerungen repräsentieren verschiedene Haltungen innerhalb des Glaubens und der Theologie: Rationalität, Ekstase und liebevolle Hingabe. Ein Chor seliger Knaben (Mitternachtsgeborne, die kurz nach der Geburt verstorben sind) durchschwebt die Szene und wird von dem Anachoreten Pater Seraphicus in sich aufgenommen, um durch ihn zu den höchsten Gipfeln aufzusteigen und sie zu umkreisen.Über den Anachoreten erscheinen drei Engel, die Faustens Unsterbliches tragen. Sie werden von den seligen Knaben empfangen und begrüßt. Sie berichten von Fausts Errettung: „Wer immer strebend sich bemüht, den können wir erlösen“ (11936–11937).Die ,Mater gloriosa‘ schwebt ein, begleitet von verschiedenen biblischen Frauen und Una Poenitentium („sonst Gretchen genannt“). Die Mater gloriosa fordert Gretchen auf, sich mit ihr zu höheren Sphären zu erheben. Faust bleibt vorerst zurück, doch: „Wenn er dich ahnet, folgt er nach.“ (12095) Doctor Marianus betet um Gnade der „Jungfrau, Mutter, Königin, Göttin“ (12101 f.).Der Chorus mysticus beschließt das Drama: „Alles Vergängliche Ist nur ein Gleichnis; Das Unzulängliche, Hier wird's Ereignis; Das Unbeschreibliche, Hier ist's getan; Das Ewig-Weibliche, Zieht uns hinan“ (12104–12111).Die Szene wurde als Seelenreinigung Fausts in Anlehnung an den gedeutet, da auch dort die jenseitige Welt nach einem triadischen Prinzip geordnet ist, welches in den drei verschiedenen Ebenen der Szene wiedererkennbar ist. Die verwendeten Motive entstammen zwar der christlichen Tradition, sie sind hier jedoch metaphorisch zu verstehen. Die oft gedeuteten vieldeutigen Schlussverse des Chorus Mysticus können teilweise als metasprachliche Äußerungen interpretiert werden. Das Ewig Weiblichekann als das Prinzip der Liebe betrachtet werden, welches dem Ewig-Männlichen, dem faustischen Titanismus entgegengesetzt ist.

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